Rheinische Post: Kommentar /
Was von Westerwelle bleibt
= Von Michael Bröcker
Geschrieben am 18-03-2016 |
Düsseldorf (ots) - In Düsseldorf 2001 war Guido Westerwelle auf
seinem Höhepunkt. Zugleich offenbarte sich dort, warum seine
politische Karriere ein unglückliches Ende nehmen sollte. Auf dem
Parteitag in der Landeshauptstadt berauschte sich die FDP an dem
Größenwahn ihres Vorsitzenden. Projekt 18. Partei für das ganze Volk.
Die Liberalen nominierten ihren Kanzlerkandidaten. Dazu der
Börsenboom der Yuppiewelt. Die FDP war Westerwelle. Und es lief gut.
Der "Spiegel" titelte: "Generation Guido". Diese Zeit wurde
Westerwelle nie wieder los. Das Image des Unseriösen, des
Übertriebenen haftete an ihm. Die Westerwelle-FDP, eine schrille
Minderheit. Dass der nach Wahlergebnissen erfolgreichste FDP-Chef
aller Zeiten so viele Gegner hatte wie keiner seiner Vorgänger, lag
auch daran, dass der Bonner Jurist nie so recht wusste, wie das geht
mit Maß und Mitte. Guido Westerwelle bekämpfte seinen
Minderwertigkeitskomplex mit dem politischen Sendungsbewusstsein. Das
war früh erkennbar. Als der Ex-Realschüler auf das Gymnasium
wechselte, wählte er das schwierigste Fach: Latein-Leistungskurs. Und
bekam Probleme. Später wollte er Künstler werden, obwohl die Lehrer
kaum Talent entdeckten. Nur in seiner späteren Karriere glänzte er
als Expressionist. Der Franz Marc der Politik. Kräftig, farbig, immer
an die Symbolik denkend. Dieser Drang zur großen Guido-Show führte
aber auch dazu, dass ihm die Medien und das Publikum nie so viel
Aufmerksamkeit geben konnten, wie er Anerkennung brauchte. Guido
Westerwelle ist aber auch ein politisches Jahrhundert-Talent. Ein
begnadeter Redner, einer, der komplexe Sachverhalte in wenigen Sätzen
für alle greifbar machen konnte. Einer, dem man im Bundestag immer
zuhörte. Ein richtig guter Demokratielehrer. Einer, der Leidenschaft
für die Politik entwickelte und junge Menschen dafür begeisterte. Er
war stets hartnäckig, wenn es um die Verteidigung der Freiheitsrechte
ging. Dass der Staat sich in den 80er und 90er Jahren zum
Vollversorgerwesen aufschwang, der dem entmündigten Bürger seinen
Alltag vorschreibt und jeden zweiten Steuer-Euro dafür braucht, hat
nach Graf Lambsdorff niemand so klar und konsequent thematisiert.
Westerwelle appellierte an die Selbstverantwortung und brachte
Begriffe wie Leistungsgerechtigkeit in die Debatte. All das bleibt.
Genauso wie die Empfindsamkeit und die Freundlichkeit, die er privat
zeigte. Die Masse von Anfeindungen und die Häme, die wohl kein
Politiker so über sich ergehen lassen musste, überstand er. Den Kampf
gegen den Krebs nicht. Als aufrechter Freiheitskämpfer und
passionierter Demokrat bleibt er in Erinnerung.
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Rheinische Post
Redaktion
Telefon: (0211) 505-2621
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