Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Zukunft der EU
Geschrieben am 07-04-2016 |
Regensburg (ots) - von Reinhard Zweigler, MZ
Man kann das Ergebnis des Referendums in den Niederlanden zum
EU-Abkommen mit der Ukraine auch so lesen: Nur rund ein Fünftel der
niederländischen Wähler lehnte das Assoziierungsabkommen mit Kiew ab.
Zwar votierten 61 Prozent der Teilnehmer am Referendum gegen das
Abkommen, doch leider beteiligte sich nicht einmal ein Drittel der
Niederländer an der Abstimmung. Doch das sind alles nur Zahlenspiele.
Fakt ist, mit dieser Ablehnung bestärken die Niederlande die immer
breitere Front der Europa-Skeptiker. Nicht nur jene im nordwestlichen
Nachbarlands Deutschlands, im Land der Tulpen und Grachten. Auch in
Frankreich, Ungarn, der Slowakei und in vielen anderen
osteuropäischen Staaten, in Griechenland sowieso, machen die Gegner
der Europäischen Union Front und erzielen Landgewinne, um es
militärisch auszudrücken. Europas Rechtsausleger von Marine Le Pen
bis Geert Wilders wittern Morgenluft. Sie wollen die Europäische
Einigung am liebsten rückabwickeln. In Deutschland besorgen die
rechtspopulistische AfD, Luckes ALFA und andere sowie offen
rechtsextreme Parteien wie die NPD das Geschäft der Europa-Skeptiker
beziehungsweise -Hasser. Der Anti-Europa-Bazillus reicht jedoch bis
weit hinein in die etablierten, im Bundestag vertretenen Parteien,
von konservativ bis nach links. Und im Land des möglichen "Brexit",
Großbritannien, lebt die Unabhängigkeitspartei UKIP geradezu von
diesem brisanten Thema. Zwar hat der Londoner Premier David Cameron
der EU einige Reformen und etwas mehr Selbstständigkeit abgetrotzt,
doch das wird die EU-Kritiker im Vereinten Königreich kaum
beeindrucken - und die in dieser Frage noch unentschlossenen Briten
wohl kaum bewegen, doch für den Verbleib im "Club der 28" zu
entscheiden. Londons Mitgliedschaft in der EU hängt am seidenen
Faden. Die niederländische Ablehnung gegen den weitgehend
unumstritten Assoziierungsvertrag mit Kiew ist zugleich eine
Menetekel für Europa. Das Nein war eher Ausdruck des wabernden Frusts
wegen der Brüsseler Eliten, wegen der behäbigen und schwer
durchschaubaren EU-Bürokratie, sicher auch wegen der Regierungen, die
sich in zähen Verhandlungen immer nur auf kleinste gemeinsame Nenner
verständigen können. Gerade jetzt, wo die Europäische Union von der
Flüchtlingskrise geschüttelt wird, von seinen Kritikern infrage
gestellt wird und von seinen Feinden am liebsten aufgelöst werden
würde, sollte sich die 28er-Gemeinschaft um so dringlicher die Frage
stellen, was ihre Union zusammen hält? Und dies sind nicht nur rein
wirtschaftliche Interessen und eine in vielen Ländern geltende
Gemeinschaftswährung. Genauso unverzichtbar sind gemeinsame Werte wie
Demokratie, Menschenrechte, der Wille zum Frieden, gemeinsame
historische Erfahrungen. In einer Welt, die etwas aus den Fugen
geraten zu sein scheint, gibt man ein solch kostbares Fundament nicht
einfach auf, nur weil die Winde etwas rauer wehen. Dabei bedeutet das
grundsätzliche Ja zur EU keineswegs, dass man die Brüsseler
Institutionen für sakrosankt erklären müsste. Europa ist ein
fließender, auch ein streitiger Prozess. Und die EU-Bürokratie kann
nur so selbstherrlich vorgehen, wie die Mitgliedsstaaten sie vorgehen
lassen. Der Clinch um die deutsche Pkw-Maut ist ein Paradebeispiel
dafür, dass nationale Interessen in Brüssel auch verteidigt werden
müssen. Und wenn man sich politisch nicht auf einen Kompromiss
verständigen kann, dann muss notfalls der Europäische Gerichtshof
sprechen. Anderswo in der Welt werden Streitigkeiten noch mit
Waffengewalt "geregelt".
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Mittelbayerische Zeitung
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