Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Böhmermann/Merkel
Geschrieben am 15-04-2016 |
Regensburg (ots) - von Christian Kucznierz, MZ
Angela Merkel lässt also zu, dass ein Verfahren gegen Jan
Böhmermann wegen Beleidigung von Organen oder Mitgliedern einer
ausländischen Regierung eingeleitet wird. Ist die deutsche Kanzlerin
also eingeknickt? Nein. "Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der
Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das
Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und
Kunstfreiheit abzuwägen", sagte Merkel. Aber wirklich gut steht sie
damit nicht da. Die Kanzlerin stand vor einem Dilemma. Sie hätte das
Gesuch der Türkei ablehnen können. Nur hätte sie sich dabei über das
Gesetz gestellt. Sie hätte dasselbe Verhalten an den Tag gelegt, mit
dem Recep Tayyip Erdogan sein Land nach seinem Willen gestaltet und
Rechte ignoriert, aushebelt, biegt, wie es ihm gefällt. Es gibt nun
einmal den Paragrafen 103 im deutschen Strafgesetzbuch - zumindest
noch. Ihn abzuschaffen ist Absicht der Bundesregierung, und das ist
auch gut so. Merkel hat das türkische Gesuch zugelassen, und damit
liegt Böhmermanns Schicksal nun in den Händen der deutschen Justiz.
Das ist unschön, aber es ist der juristisch korrekte Weg und damit
der, den Erdogan nicht zu seinen Präferenzen zählt. Aber: Ein
Prozess, der als Beispiel dafür gelten soll, was es bedeutet,
rechtsstaatliche Normen zu haben und zu achten, und das auf Kosten
eines Künstlers? Ein gewagter Spagat. Wer hofft, dass dieses Vorgehen
erzieherisch wirksam für den türkischen Staatschef ist, wird
enttäuscht werden. Immerhin aber kann Böhmermann darauf setzen, dass
in Deutschland die Freiheit der Meinung und die der Kunst Grundrechte
sind. Den Makel aber, dass sich in der Sache die Bundesregierung als
von Erdogan erpressbar dargestellt hat, wird auch ein Freispruch
gegen Böhmermann nicht hinwegfegen. Es ist einem Antidemokraten
gelungen, unser Verständnis von freier Meinung, freier Kunst und
Kritik - auch in vielleicht unangenehmer oder unerträglicher Form -
zu torpedieren.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
589067
weitere Artikel:
- Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Gesundheitsdaten/Sicherheit Regensburg (ots) - von Martin Anton, MZ
Gesundheitsdaten gehören zu den intimsten Informationen, die ein
Mensch besitzt. Deswegen gibt es viele berechtigte Sorgen bei ihrer
digitalen Erfassung und Verarbeitung. Doch die Chancen mobiler
Datenverwaltung sind auch für den Medizinsektor zu groß, um sie zu
ignorieren. Zumal auch an der Sicherheit der Daten im derzeitigen
Gesundheitskarten-System immer wieder Zweifel aufkommen. Der
Datenschutz ist ein ewiges Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die ständige
technologische Weiterentwicklung mehr...
- FZ: Der Tragödie nächster Teil
Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (16.4.2016) zum Fall Böhmermann Fulda (ots) - Was war von dieser Kanzlerin anderes zu erwarten in
der Causa Böhmermann als ein Kniefall vor dem "Sultan" Erdogan? Mit
dem EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen von Mitte März hat sich auch Merkel
erpressbar gemacht, und aus ihrer Erklärung, den Weg für die
juristische Verfolgung des TV-Moderators wegen Majestätsbeleidigung
freizumachen, spricht das Ausmaß dieser Abhängigkeit: Lässt sie
Erdogan in der Böhmermann-Frage im Stich, stellt sie sich womöglich
gegen ihn, riskiert sie, dass dieser sich nicht mehr an die
Vereinbarungen mehr...
- Westfalenpost: Noch ohne Wert
Von Carsten Menzel Hagen (ots) - Panama hat also dem Druck nachgegeben und will sich
künftig am internationalen Austausch von Finanzdaten beteiligen. Das
ist ein Teilerfolg des politischen Aktionismus, der nach dem
Erdbeben, dass die Veröffentlichung der so genannten Panama-Papiere
ausgelöst hat, weltweit ausgebrochen ist. Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble und seine Kollegen aus Frankreich, Großbritannien,
Italien und Spanien haben gestern ihre Forderung nach weiteren
Schritten bekräftigt, um Steueroasen auszutrocknen und illegale
Finanzströme mehr...
- Westfalenpost: Eine Frage der Staatsräson
Von Martin Korte Hagen (ots) - Der entscheidende Satz lautet: "Im Rechtsstaat ist
es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und
Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die
Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen." Gesagt hat das gestern Angela
Merkel - und sie brachte damit noch einmal das Dilemma zum Ausdruck,
in das sie sich auch selbst hineinmanövriert hat. Warum hat die
Bundeskanzlerin sich telefonisch beim türkischen Ministerpräsidenten
für das niveaulose Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann
entschuldigt? mehr...
- Rheinische Post: In besten Händen Düsseldorf (ots) - Kommentar von Detlev Hüwel
Ist der wegen versuchten Mordes angeklagte Reker-Attentäter Frank
S. für seine Bluttat voll verantwortlich? Er habe weder ein Alkohol-
noch ein Drogenproblem, gab er gestern beim Auftakt des
Strafprozesses zu Protokoll. Er stellte sich zudem als einen
politisch sehr interessierten Menschen dar, der viele Meinungen
einhole und sich dann ein Urteil bilde. Das alles klingt zunächst
rational, auch wenn - wie in diesem Fall - die Folgen verheerend
sind. Offenbar wollte S. mit dem sorgsam mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|