Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur CSU/Verfassungsklage: Das Brustgetrommel der CSU-Alphamänner Von Christine Schröpf
Geschrieben am 10-05-2016 |
Regensburg (ots) - Im Politdschungel geht es manchmal zu wie im
echten Urwald: Alpha-Männchen trommeln sich auf die Brust und stoßen
ein paar Urschreie aus, um die eigene Stärke zu demonstrieren - ganz
egal, wie prächtig es momentan tatsächlich darum bestellt ist.
Ähnlich hielt es die CSU, als sie nach langem Hin und Her nun
offiziell die Klagedrohung von Ministerpräsident Horst Seehofer gegen
die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel "in die Schublade"
legte, auf dass sie dort möglichst schnell in Vergessenheit geraten
möge. Ausgerechnet Staatskanzleichef Marcel Huber und Justizminister
Winfried Bausback, sonst eher bekannt für feine Zurückhaltung, blieb
der Part, den Rückzieher wortgewaltig als vermeintlichen Machtbeweis
der CSU zu verkaufen. Merkel folge schließlich inzwischen in weiten
Teilen stillschweigend dem Asylkurs der CSU, hieß es. Eine Deutung,
die selbst für Wohlmeinende schlicht Schönfärberei ist. Die CSU, die
monatelang mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht
hatte, wurde vielmehr von einer Wirklichkeit überholt, die
Kontrahentin Merkel in die Hände spielte. An der
bayerisch-österreichischen Grenze ist der Flüchtlingsstrom seit
Schließung der Balkanroute nahezu zum Stillstand gekommen. In
Karlsruhe nun auf eine strenge Sicherung der Grenze zu drängen, wäre
eine komische Nummer gewesen - noch komischer, als es ohnehin schon
ist, wenn die CSU juristische Schritte gegen eine Bundesregierung
erwägt, der sie selbst angehört. Das Dauerrempeln gegen Berlin war zu
keinem Zeitpunkt ein Zeichen von politischer Stärke. Es war immer
untrüglicher Beweis, wie sehr die CSU bei Merkel auf taube Ohren
stößt. Das hat sich bis heute nicht grundlegend geändert. Zwar trägt
das Asylpaket II die Handschrift Seehofers. Der Kurswechsel Merkels
war aber vor allem auch der Tatsache geschuldet, dass nicht mehr das
ungeliebte Bayern allein, sondern eine Vielzahl von Bundesländern
damit überfordert waren, sehr rasch sehr viele Flüchtlinge zu
versorgen. Bei anderen Zugeständnissen Berlins an die CSU kommt es
auf das Kleingedruckte an. Das gilt etwa für den Streit um Kontrollen
an der bayerisch-österreichischen Grenze, entfacht durch
Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Ab Mitte Mai sei es damit
vorbei, hatte er vor wenigen Wochen in üblich ungeschickter Art, auch
noch ohne Rücksprache mit Bayern erklärt. Nach einer massiven
Breitseite Seehofers ruderte er zwar zurück. Wofür de Maizière steht,
findet sich aber weiter in dem diese Woche gefundenen Kompromiss. Die
Bundespolizei soll nun der "Lage angepasst" arbeiten. Was heißt das
wohl konkret, wenn über längere Zeit wenig Flüchtlinge ankommen? Auch
ein weiterer Satz hat es in sich: Sollten die Kontrollen zeitweise
ausgesetzt werden, geschehe es eng mit Bayern abgestimmt. Der nächste
Streit zwischen CSU und CDU ist vorprogrammiert. Konfliktpotenzial
gibt es genug. Seehofer versteht das Erstarken der AfD als
alarmierenden Weckruf , Merkel will das Problem lieber aussitzen.
Seehofer drängt, dass die schwarz-rote Koalition vor der nächsten
Bundestagswahl Zukunftsprojekte wie die Rentenreform aufs Gleis setzt
- im Kabinett ist keine Betriebsamkeit zu erkennen. Die
Schwesterparteien haben sich weit voneinander entfernt. Die Schuld
liegt auf beiden Seiten. Merkel definiert Partnerschaft offenkundig
als einen Akt, bei dem die andere Seite am Ende zermürbt von ihr
ablässt - bei Männern in der eigenen Partei hat sie das mehrfach mit
Erfolg durchexerziert. Seehofer wiederum definiert gute Politik vor
allem danach, was für die CSU und damit nach seiner Lesart
automatisch für den Freistaat gut ist. Sein Liebäugeln mit einem
Bundestagswahlkampf in Konfrontation zur CDU mit ihm selbst als
Spitzenkandidaten passt in dieses Verhaltensmuster. Eine Drohung, die
im Gegensatz zur Bundesverfassungsgerichtsklage wahr werden könnte.
Trotz aller Rückschläge: Wer, wenn nicht er selbst, beherrscht das
Klingenkreuzen mit Merkel am besten? Der von der Opposition bereits
angekündigte Wahlkampfslogan - wer CSU wählt, wählt Merkel - wäre
damit ausgehebelt. Die Strategie birgt für Seehofer die Chance auf
einen neuen Wahlsieg der CSU, aber auch die Gefahr des verheerenden
persönlichen Scheiterns. Wie hart seine Partei stets mit Verlierern
umgeht, ist bekannt.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
590684
weitere Artikel:
- Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu Kretschmanns neuem Kabinett Stuttgart (ots) - Die Auswahl, die Kretschmann und sein künftiger
Stellvertreter Thomas Strobl getroffen haben, ist durchaus vorzeigbar
- auch wenn der Unmut in der CDU-Fraktion groß ist. Wie Strobl, der
das Innenressort übernimmt, haben Theresia Bauer, Edith Sitzmann,
Peter Hauk oder Franz Untersteller bereits in Spitzenämtern Leistung
gezeigt. Eine solide Besetzung hätte auch Justiz-, Europa- und
Tourismus-Minister Guido Wolf sein können, hätte er Neigung zu seinem
Amt gezeigt. Hat er aber nicht, sondern nur für das Aufblähen seines mehr...
- Westfalen-Blatt: zu "China und die Martkwirtschaft" Bielefeld (ots) - Die Vorstellung, dass das kommunistische China
sich demnächst als Marktwirtschaft fühlen darf, hat schon etwas
Abstruses. Aber der Schritt entspricht den Statuten der
Welthandelsorganisation (WTO). Insofern wird auch die EU mit der
Tatsache leben müssen, dass man künftig einen Wettbewerber mehr hat,
den man weder verprellen darf noch aufhalten kann. Dabei muss Peking
sehr wohl lernen, dass der Status der Marktwirtschaft eben nicht nur
größere Freiheiten mit sich bringt, sondern auch Pflichten. Die
Anerkennung und mehr...
- Westfalen-Blatt: zur Präsidentschaftswahl auf den Philippinen Bielefeld (ots) - Wer den Papst als »Hurensohn« beleidigt,
Vergewaltigungen verharmlost und offenbar mit Killerkommandos
zusammenarbeitet, um Rauschgifthändler abzuschrecken, hat sich für
ein hohes politisches Amt disqualifiziert. Eigentlich. Aber wenn in
einem Land Korruption, Gewalt und schreiende soziale Ungerechtigkeit
herrschen, ist die Sehnsucht nach starken Männern und einfachen
Lösungen groß. Das war schon in der Vergangenheit so. Rodrigo Duterte
empfiehlt sich - so wie Donald Trump in den USA - mit markigen
Sprüchen mehr...
- Stuttgarter Zeitung: Zum Besuch von Obama in Hiroshima. Stuttgart (ots) - Obama wagt den Besuch, weil er sich keiner Wahl
mehr stellen muss - das macht unabhängig. Aber selbst von ihm wird es
kein Wort der Entschuldigung geben - so weit reicht seine
Unabhängigkeit dann auch wieder nicht. Zum Ende seiner Amtszeit
nimmt Obama noch einmal ein Grundmotiv seiner Präsidentschaft auf:
die Vision einer atomwaffenfreien Welt. Weit ist er mit der
Verwirklichung nicht gekommen. Zwar wurde der Iran-Deal vereinbart,
zugleich stieg Nordkorea aber zur Atommacht auf. Mehr als Worte
und Symbol-Besuche mehr...
- BERLINER MORGENPOST: Personelle Aufrüstung - Leitartikel von Jochim Stoltenberg Berlin (ots) - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat
eine weitere Wende vollzogen. Nachdem sie Anfang des Jahres ein
Rüstungsprogramm vorgelegt und eine Aufstockung des
Verteidigungsetats um zunächst zwei auf 35 Milliarden Euro erreicht
hatte, hat sie nun den Personalbedarf der Truppe den veränderten, mit
immer neuen Aufträgen verbundenen Herausforderungen der Bundeswehr
angepasst.
Dass die Bundeswehr wegkommen müsse von dem Prozess des
permanenten Schrumpfens, wie die Ministerin ihre Offensive begründet,
ist ernsthaft mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|