Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zum Kurs der SPD
Geschrieben am 21-06-2016 |
Regensburg (ots) - Gabriels Testballons
von Reinhard Zweigler
Die älteste deutsche Partei ist auch heute ein Widerspruch in
sich. Schwankten die Ahnen der Gabriel, Nahles und Co. vor einhundert
Jahren bei der Frage: umstürzende Revolution oder schrittweise
demokratische Veränderung, so treibt die heutigen Sozialdemokraten
die Frage um: völlig auf ein linkes Bündnis, mit Grünen und
Ganz-Linken, setzen oder aber die Mehrheit in einer obskuren Mitte
suchen. Etwa weiter und wieder mit der ungeliebten Union regieren.
Mist sei das eine wie das andere, meine manche in der SPD. Der
Widerspruch, dass einerseits nahezu sämtliche politischen Projekte
der SPD - vom Mindestlohn, Rente mit 63, Frauenquote bis zur
Mietpreisbremse - umgesetzt wurden, aber andererseits die Partei seit
Jahren im Umfragekeller stecken bleibt, nervt die Parteispitze,
frustriert die Mitglieder, enttäuscht die potenziellen Wähler.
Bitternis steigt auf, Enttäuschung auch. Die Welt ist ungerecht.
Sigmar Gabriel versucht nun, nicht einmal ungeschickt, den Ausweg aus
dieser Misere in der Beschwörung des neuen, gemeinsamen Feindes aller
"progressiven Kräfte". Und das sind nicht die Konservativen, die
Union, CDU und CSU, sondern die "radikale bürgerliche Rechte", die im
Schafspelz der Bürgerlichkeit daher komme, gegen Einwanderer und
Flüchtlinge hetze, die Minderheiten ausgrenze und ansonsten die
Ungleichheit in der Gesellschaft wie ein Natureereignis hinnehme.
Gabriel geht es bei seiner Beschreibung des politischen Frontverlaufs
in Deutschland, nicht nur um die rechtspopulistische AfD, die auch
den Sozialdemokraten viele unzufriedene Wähler abspenstig macht.
Sondern er lässt den Blick weiter schweifen. Ihm geht es auch um die
besorgniserregende europaweite Bewegung der Rechtspopulisten. Bis
hinein in die USA, wo sich der Milliardär Donald Trump anschickt, mit
rechtspopulistischen, kruden Sprüchen das Weiße Haus zu erobern. Der
SPD-Chef warnt vor einer Revision der Demokratie von rechts. Man muss
diese Zuspitzung Gabriels nicht teilen, zumindest jedoch sollte man
darüber nachdenken, wohin es führen würde, wenn in Deutschland
Flüchtlingshasser und Europafeinde etwas zu sagen hätten. Mit
Wir-sind-dagegen-Parolen und einem Wiederaufleben von Nationalismus
sähe die Zukunft in der Tat trübe aus. Für die künftige Ausrichtung
der SPD jedoch besagen Gabriels Äußerungen wenig bis gar nichts. Mal
blinkt er links, wie jetzt, mal schielt er in die Mitte - der
künftige Kurs der gebeutelten Partei ist nach der Wortmeldung des
Parteichefs unbestimmter denn je. Er ist ein Meister im
Aufsteigenlassen von Testballons. Zudem muss der gewichtige
Vorsitzende in seinem Hauptberuf als Bundeswirtschaftsminister Dinge
durchsetzen und verteidigen, die ihm selbst viele Anhänger übel
nehmen, vom Freihandelsabkommen TTIP bis zu Erbschaftssteuer. Der
zuletzt nur mit einem glanzlosen Ergebnis wiedergewählte
SPD-Vorsitzende ist nicht unangreifbar. Man äußert Kritik an ihm nur
nicht öffentlich. Konkurrenten werfen ihren Hut nicht in den Ring.
Zudem sitzt den Genossen nach den beiden Wahlpleiten in
Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt vom März die Angst im Nacken, im
Herbst auch in Berlin und Schwerin die Regierungsmacht zu verlieren.
Das wäre ein böses Signal für die Landtagswahlen im Frühjahr und
schließlich für die Bundestagswahl 2017. Mut und Macht muss man haben
und wollen, hat sich die SPD-Spitze in einem Papier vor einer Woche
selbst ins Stammbuch geschrieben. Den Mut und den Willen zur Macht
kann man Gabriel gewiss nicht absprechen. Die Frage ist nur, Mut und
Macht wozu?
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
593480
weitere Artikel:
- Saarbrücker Zeitung: Saarbrücker Zeitung: Lobbyist Dieter Holzer ist tot Saarbrücken (ots) - Saarbrücken/Quierschied. Der über Jahrzehnte
auf internationaler Bühne aktive Lobbyist Dieter Holzer ist tot. Er
starb mit 74 Jahren in der Nacht zu Donnerstag (16. Juni) in seiner
Heimatgemeinde Quierschied im Saarland, wie Freundeskreise der
Saarbrücker Zeitung bestätigen. In der Affäre um den Verkauf der
Leuna-Werke hatte Holzer eine Schlüsselrolle inne. Holzer litt an
ALS (Amytrophe Lateralsklerose). Zu seiner Beisetzung am Samstag in
Quierschied werden Trauergäste aus der ganzen Welt erwartet, wie die
Saarbrücker mehr...
- Ostthüringer Zeitung: Wolfgang Schütze kommentiert: Zu kleinlich, zu aufwendig Gera (ots) - Hartz-IV muss weg, rufen Linksbewegte seit Jahren.
Hartz-IV muss schärfer werden, verlangen Konservative genau so lange
nach mehr Sanktionen.
Als der ehemalige Arbeitsdirektor von Volkswagen, Peter Hartz,
dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) versprach, nun
werde alles besser auf dem Arbeitsmarkt, begann zugleich der
Streit. Häufig wird dabei aber ausgeblendet, dass die Regelungen
in ihrer Gesamtheit tatsächlich dazu beigetragen haben, dass
Deutschlands Wirtschaft sich gut entwickelte. Auch mehr...
- Stuttgarter Zeitung: zum Koalitionsstreit um die Russland-Politik Stuttgart (ots) - Die SPD betreibt in der Russland-Politik ein
unverantwortliches Spiel. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat,
flankiert von SPD-Chef Sigmar Gabriel, mit seinem Gerede vom
Säbelrasseln an der Grenze der Nato zur Russischen Föderation
Kanzlerin Merkel herausgefordert und die Bündnispartner irritiert.
Zwar ist es richtig, nach Wegen aus der Eskalation an der Ostflanke
Europas zu suchen. Ebenso wichtig ist es aber, Russlands Präsidenten
Wladimir Putin keine Zeichen der Zwietracht zu gönnen. Der nämlich
nutzt jede mehr...
- Rheinische Post: Kommentar: Unverbesserliche Justiz Düsseldorf (ots) - Die Staatsanwaltschaft Duisburg greift im Fall
der Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe nach dem buchstäblich
letzten Strohhalm. Dass sie ein zweites Gutachten in Auftrag gibt,
kann als Eingeständnis des eigenen Versagens gewertet werden. Denn
zuvor hatte die Behörde fast vier Jahre benötigt, um überhaupt eine
Anklageschrift zu formulieren. Und in dieser Zeit bekam sie als
zentrales Beweismittel nicht viel mehr zustande als eine etwa
20-seitige Expertise eines Panikforschers, die nur so vor Fehlern
strotzte mehr...
- Rheinische Post: Kommentar: Der Diesel ist ein Auslaufmodell Düsseldorf (ots) - Clean Diesel - mit diesem Werbespruch wollten
die Auto-Konzerne dem Selbstzünder in den USA zum Durchbruch
verhelfen. Geklappt hat das bis heute nicht richtig. Der Diesel-Motor
ist noch immer ein europäisches Phänomen. Statt auf Antriebe zu
setzen, die wirklich emissionsarm sind, haben die Auto-Konzerne
lieber ihre Diesel-Motoren so lange optimiert, bis auch die letzte
Gesetzeslücke ausgenutzt war. Der Nutzen für die Umwelt ist dabei
gering. Was nutzen sauberere Motoren, deren Filter sich bei den
geringsten Abweichungen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|