Quo Vadis Vergaberecht - Tendercontrolling von Rabattverträgen und Vertragsstrafen (FOTO)
Geschrieben am 30-09-2016 |
Stuttgart (ots) -
Gerade ein halbes Jahr ist vergangen, seit im April 2016 das neue
GWB-Vergaberecht in deutsches Recht umgesetzt wurde und seither galt
es für die Bieter, den grundlegend reformierten Rechtsrahmen in ihre
Angebotsabläufe zu integrieren. Doch wer sich danach erleichtert
zurücklehnen wollte, wird sich heute verwundert die Augen reiben und
feststellen: Das Bundeswirtschaftsministerium diskutiert bereits über
weitere Neuerungen im Vergaberecht und zwar dieses Mal für Aufträge
unterhalb der EU-Schwellenwerte. Angesichts der Tatsache, dass rund
87% der öffentlichen Aufträge in Deutschland diese Grenze nicht
überschreiten, zeigt sich die neuerliche Debatte über
Vergaberichtlinien als besonders brisant. Betroffen sind
beispielsweise Wirkstoffaufträge für die medizinische Versorgung im
Justizvollzug, medizinische Dienstleistungsaufträge im Rahmen von
Modellvorhaben oder integrierter Versorgung, für die schon im April
diesen Jahres der Sonderschwellenwert von 750.000EUR festgelegt
wurde. Wird dieser Wert überschritten, verlangt das neue SGB V
weitestgehend die Anwendung des vereinfachten, aber immer noch
formalisierten Vergaberechts für medizinische Dienstleistungen nach
GWB 2015.
Seit dem Open-House-Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Juni
2016, welches für pharmazeutische Hersteller vergabeähnliche
Beteiligungsbedingungen vorsieht, herrscht zufriedene Betriebsamkeit
bei allen Beteiligten. Besteht denn nun kein Interesse mehr an fairem
Rabattwettbewerb?
Seit Juni gehen bei den Vergabekammern die ersten
Nachprüfungsanträge zum neuen Vergaberecht ein und es fällt auf:
Weniger die eigentlichen Neuerungen bereiten hier Probleme, als
vielmehr die immer schon sensiblen Weichenstellungen im
Vergabeverfahren. Nach wie vor bieten unklare und mehrdeutig
formulierte Zuschlagskriterien unzählige Fehlerquellen und somit
reichlich Arbeit für die deutschen Nachprüfungsinstanzen und den
Europäischen Gerichtshof.
Diesen und anderen aktuellen Themen widmeten die inhabergeführten
Unternehmen PSE - Pharma Solutions Europe und 1stLine e.K. in
Kooperation eine Fachtagung am 28. September 2016: Mehr als 40
Vertreter der pharmazeutischen Industrie folgten der Einladung der
etablierten Unternehmen, um sich ein Bild von den derzeitigen
Turbulenzen im Vergaberecht zu machen. Den Rahmen für die
Veranstaltung bot das Mövenpick Hotel Stuttgart Airport & Messe.
Rechtsanwalt Dr. Alexander Hübner, Partner der Sozietät Haver &
Mailänder (Stuttgart/Brüssel), stellte die aktuellen
Rechtsentwicklungen vor. Der Wirtschaftsjurist, ein "Mann der ersten
Stunde" des seit 1998 geltenden GWB-Vergaberechts mit
Beratungsschwerpunkten in komplexen europaweiten Vergabeverfahren,
bewertete sowohl das Tempo, als auch die Intensität der Neuerungen
kritisch und stellte ernüchtert fest: "Die Beteiligten an
Vergabeverfahren drohen inmitten der Umstellung auf das GWB 2016 an
die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu gelangen - diesseits oder
jenseits -, da die Kassen nun neue, bisher ungenutzte Möglichkeiten
der vergabefreien Direktbeauftragung erproben. Nebenbei wird das SBG
V-Vergaberecht sukzessive nachgebessert, was die Rechtslage für
Bieter kaum übersichtlicher macht. Und: Widersprüchliche
Entscheidungen der Nachprüfungsinstanzen zu wirklich grundlegenden
Fragen, wie etwa der Gestaltung von Zuschlagskriterien, nehmen kein
Ende.", so das Fazit des Wirtschaftsjuristen Dr. Hübner.
Viele pharmazeutische Unternehmer mussten bereits die Erfahrung
machen, dass die Reaktionszeit zum Zeitpunkt der Publikation einer
Ausschreibung oftmals bereits zu kurz ist, um eine fristgerechte
Belieferung des Tenders im Zuschlagsfall garantieren zu können. Gemäß
einer Analyse von PSE vergehen im Median knapp sechs Monate zwischen
dem Zeitpunkt der Bekanntmachung einer Ausschreibung im europäischen
Amtsblatt und dem Vertragsstart. Vor dem Hintergrund der Tatsache,
dass der Produktionsplanungszyklus der pharmazeutischen Industrie bei
sechs Monaten liegt, wird deutlich, dass potentielle Lieferausfälle
von vornherein in der Planung berücksichtigt werden müssen. In einer
Pressemitteilung des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie
vom 13.07.2016 betont der Vorstandsvorsitzende Dr. Martin Zentgraf
die Notwendigkeit einer "mindestens sechsmonatigen Frist zwischen
Zuschlag und Lieferverpflichtung". Das Risiko eines partiellen
Lieferausfalls ist real. Daher stellt sich für den pharmazeutischen
Bieter häufig die Frage nach einer Risikoeinschätzung, sowie
insbesondere nach der Höhe einer potentiellen Vertragsstrafe bei
möglichen Lieferausfällen.
Die Höhe einer potentiellen Vertragsstrafe ist von verschiedenen
Faktoren abhängig: Sowohl die Vertragsgestaltung der ausschreibenden
Stelle, die ausgeschriebene Menge (der Beschaffungsbedarf), die
tatsächliche Absatzmenge, als auch die Länge der Ausfallzeit haben
Einfluss auf die letztendliche Höhe der Vertragsstrafe. Mit Hilfe des
PSE-Schadensersatz-Szenariorechners lässt sich der potentielle
Schadensersatz schnell im Szenario-Trichter als Mindest-, Mittel-
oder Maximalwert ermitteln. Diese Berechnung fällt für jede
ausschreibende Stelle unterschiedlich aus; zumal die Bezugsgrößen
rechnerisch eine völlig differente Handhabung verlangen. Dipl. Ing.
(FH) Dirk Lothar Hantz, Senior Business Analyst bei PSE führte in
seinem Vortrag aus, wie die oben genannten Faktoren rechnerisch
berücksichtigt werden können. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, ob
sich ein Lieferausfall zu Vertragsbeginn oder erst während des
laufenden Vertrages ereignet, um Grenzen wie reguläre
Vertragsstrafen, Mindest- und Höchststrafen zu unterschieden. Die
Vorteile des Szenariorechners liegen auf der Hand: Er ermöglicht die
schnelle Ermittlung potentieller Vertragsstrafen, Annahmen in
mengenabhängigen Bandbreiten, sowie die Erzeugung verschiedenster
Ansichten (Ausfallzeit, Kalendertag, Monat, Jahr, Gesamtlaufzeit).
Auf diese Weise können Bieter potentielle Vertragsstrafen mehrerer
ausschreibender Stellen auf einen Blick vergleichen und die passende
Ausschreibung auswählen. Da PSE den Schadensersatz-Szenariorechner
laufend Aktualisierungen unterzieht, können die Ergebnisse zeitnah
vom pharmazeutischen Bieter selbst erzeugt und abgerufen werden, um
die Entscheidung für oder gegen eine Beteiligung an öffentlichen
Ausschreibungen fundiert treffen zu können.
Es bleibt zu hoffen, dass die ausschreibenden Stellen der
Krankenkassen künftig branchenorientierter agieren. Dies würde
bedeuten, dass der zeitliche Vorlauf vom Zeitpunkt der Publikation
bis zum Vertragsstart deutlich länger als sechs Monate gestaltet
wird, wobei ein Zeitraum von neun Monaten ideal wäre. Diese
Verlängerung würde Bieter und ausschreibende Stellen gleichermaßen
entlasten.
Ingo Hüser, Inhaber des auf die Pharmabranche spezialisierten
Business Intelligence-Anbieters 1stLine e.K., präsentierte Lösungen,
mit deren Hilfe sich Vertragsbeziehungen komfortabel auswerten
lassen. Seit Kurzem können auf diese Weise sogar automatisiert
Rückstellungen gebildet und Deckungsbeiträge ermittelt werden. "Um
mit der neuen Zeitknappheit umgehen zu können, ist effektives
Tender-Management notwendig, - ohne zeitraubende Routine- und
Nebentätigkeiten.", so Hüser. "Professionelle Lösungen sind daher für
den Bereich des Controlling unverzichtbar. Denn mit der
Beschleunigung der Vergabeverfahren, werden sich auch die Zeiträume
für Entscheidungsprozesse auf Managementebene erheblich verkürzen."
Insgesamt zeigte sich 2016 bereits als turbulentes Jahr für das
Vergaberecht und auch 2017 verspricht kaum Besserung. Angesichts der
permanenten Neuerungen ist für pharmazeutische Bieter auch in Zukunft
ein erfahrener Partner am Markt unerlässlich.
Pressekontakt:
Carina Diana Bukenberger
carinabukenberger@gmail.com
Tel: +49157 51151995
Original-Content von: PSE - Pharma Solutions Europe, übermittelt durch news aktuell
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