Schwäbische Zeitung: Ratlosigkeit im Nahen Osten - Leitartikel zu Peres
Geschrieben am 30-09-2016 |
Ravensburg (ots) - Die Briten, hat Tony Blair einmal gesagt,
hätten ihre Queen Elizabeth II., die Israelis dagegen ihren Schimon.
So war der Auftrieb an prominenten Trauergästen bei der Beerdigung
von Schimon Peres auch der Sorge um die Zukunft Israels und des Nahen
Ostens geschuldet. Denn mit Peres schwindet, wie oft, wenn Alte und
Weise sterben, auch immer eine Hoffnung.
Peres war in seinen letzten Jahren und Jahrzehnten Autorität über
alle ideologischen Grenzen hinweg geworden. Er war der letzte große
israelische Politiker, dessen Erfahrungen vom osteuropäischen
jüdischen Leben, wie es der israelische Schriftsteller Aharon
Appelfeld beschreibt, bis zum Bau der Atombombe und der Entgegennahme
des Friedensnobelpreises reichte.
Was jetzt kommt, ist Ratlosigkeit. Israels Ministerpräsident
Benjamin Netanjahu oder sein Verteidigungsminister Avigdor Lieberman
sind Politiker, die sich zuvorderst durch ihre Verachtung für alles
Arabische hervortun. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen, um
mit den Palästinensern im Gespräch zu bleiben oder gar mit
Saudi-Arabien und Katar zu verhandeln. Durch den Tod von Peres gibt
es einen weniger, der sich mit Vehemenz für eine Zwei-Staaten-Lösung
einsetzte, für eine friedliche Koexistenz Israels und eines
palästinensischen Staates. Dass jene Israeli, Amerikaner und
Europäer, die am Freitag in der Jerusalemer Sonne Peres die letzte
Ehre erwiesen, keine Antworten haben, ja, die Suche nach Lösungen
aufgegeben zu haben scheinen, ist bitter. Derweil rückt die
israelische Gesellschaft immer weiter nach rechts, nie gab es so
wenig Bereitschaft zum Kompromiss oder auch nur zum Gespräch. Außer
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem jordanischen König
Abdullah II. gibt es in der Region zudem keine arabischen Stimmen der
Vernunft mehr.
Schimon Peres hat einmal gesagt, Verhandlungen seien für ihn kein
Geschäft oder Handel, sondern die Suche nach tragfähigen Lösungen für
beide Seiten. In Israel gilt diese Einsicht heute so wenig wie bei
Israels Verbündeten oder seinen Feinden.
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Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
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