Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Krankenversicherung: In der Beitragsfalle von Stefan Stark
Geschrieben am 28-11-2016 |
Regensburg (ots) - Die desaströsen Folgen der Nullzinspolitik von
Mario Draghis EZB schlagen in immer mehr Bereichen durch: Sparer
dürfen heutzutage froh sein, wenn sie für Geldanlagen keine
Strafgebühr zahlen müssen. Die Altersvorsorge mit einer
Lebensversicherung wird immer schwieriger. Und nun treffen die
Auswirkungen der Schrumpfrenditen auch noch Millionen Menschen mit
einer privaten Krankenversicherung (PKV). Die niedrigen Zinsen setzen
die Anbieter so unter Druck, dass sie die Zusagen für die Verzinsung
der Altersreserven nicht mehr erwirtschaften können. Die Rechnung
bekommen die Versicherten. Sie werden letztlich dafür zur Kasse
gebeten, dass sich Staaten im Euroraum billig verschulden können.
Doppelt bitter wirkt sich diese groteske Entwicklung für Leute aus,
die bereits seit Jahren mit regelmäßigen und teilweise zweistelligen
Erhöhungen konfrontiert sind. Es ist in der privaten
Krankenversicherung keine Seltenheit, dass sich die Beiträge während
des Arbeitslebens verdreifachen. Und zwar nicht wegen der EZB,
sondern weil die Gesundheitskosten stetig steigen. Und weil die
Versicherer die Jungen mit Billigtarifen locken, die sie dann über
höhere Beiträge bei den Älteren quer subventionieren. Wer mit 35
Jahren bei 600 Euro monatlich startet, liegt dann mit 65 kurz vor
Renteneintritt bei 1800 Euro - Monat für Monat. Wohl dem, der bis
dahin ein sechsstelliges Vermögen ansparen konnte. Oder dem, der
durch einen Tarifwechsel bei seinem Versicherer eine deutliche
Beitragssenkung durchsetzen kann - ohne Leistungskürzungen, die ihn
in die Holzklasse des Gesundheitssystems katapultieren. Eines ist
unbestreitbar: Privatpatienten sitzen in der ersten Reihe.
Chefarztbehandlung im Krankenhaus, volle Erstattung beim Zahnersatz,
keine Einschränkungen bei Medikamenten, deutlich kürzere Wartezeiten
beim Facharzt - die Privaten genießen im Vergleich zu den
Kassenpatienten eine Deluxe-Behandlung. Sie sind die Privilegierten
in unserem Zwei-Klassen-Gesundheitssystem. Und in den Praxen sind sie
gern gesehen, weil die Ärzte deutlich mehr abrechnen können als bei
den gesetzlich Versicherten. Manche Mediziner zeigen ihre
Wertschätzung sogar in Form eigener Wartezimmer, wo die Privaten im
Expresstempo an der Warteschlange vorbeigeschleust werden. Sie
besitzen ein Ticket für die erste Klasse. Doch die Vollkasko hat
zwangsläufig einen höheren Preis, der im Falle der PKV mit dem Alter
immer mehr steigt. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet jetzt eine
neue Debatte über eine Bürgerversicherung entbrennt. Befeuert wurde
sie von den Befürwortern des bisherigen zweigeteilten Systems mit der
Warnung vor dem Verlust Zehntausender Arbeitsplätze für den Fall,
dass eine "Volksversicherung" kommt. Man will schon einmal Pflöcke
einrammen für den nahenden Bundestagswahlkampf, wenn die Anhänger der
Bürgerversicherung versuchen, mit dem Gerechtigkeitsthema zu punkten.
Denn bei kaum einem anderen Bereich reagieren die Deutschen so
sensibel wie bei der Zwei-Klassen-Medizin, wo es nicht nur um Luxus,
sondern letztlich um Leib und Leben geht. Die Bürgerversicherung
klingt außerdem verlockend, weil sich die Beitragsbasis für eine
Einheitskrankenkasse um Millionen Einzahler verbreitern ließe. Damit
könnte man die Beiträge zumindest für den Zeitraum einer
Legislaturperiode senken oder wenigstens stabilisieren. Eines ist
jedoch auch klar: Eine Abschaffung der PKV wäre ein Verlust der
Wahlfreiheit für viele Bürger - und ein Mehr an staatlicher
Bevormundung statt Vielfalt. Bei jeder Medizin empfiehlt sich der
Blick auf die Packungsbeilage und die Nebenwirkungen. Wer die
Bürgerversicherung als Heilmittel anpreist, muss der Ehrlichkeit
halber darauf hinweisen, dass sie ein Kernproblem des
Gesundheitssystems vielleicht vorübergehend lindert, aber nicht löst:
den stetigen Anstieg der Kosten bedingt durch den demografischen
Wandel sowie durch neue und teure Therapien. Die Wahrheit ist, dass
die Beiträge in Zukunft weiter klettern werden, wenn man das
Behandlungsniveau nicht antasten will - egal ob gesetzlich-, privat-
oder bürgerversichert. Nicht jedem dürfte bewusst sein, wie viel
Fantasie der Gesetzgeber schon jetzt beweist, um die Leute
hinterrücks abzukassieren. So langen die gesetzlichen Krankenkassen
mit dem vollen Beitrag zu, wenn einem Versicherten bei Renteneintritt
eine betriebliche Lebensversicherung ausgezahlt wird. Auf einen
Schlag werden dann fünfstellige Summen fällig. Privatpatienten
dagegen bleibt diese böse Überraschung erspart. Diese Extragebühr
wird exklusiv in der medizinischen Holzklasse fällig.
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