(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Bernhard Fleischmann zur europäischen Finanzpolitik

Geschrieben am 01-01-2017

Regensburg (ots) - Die Bundesbürger sind in Kauflaune. Spendabel
wie selten zuvor beschenkten sie ihre Liebsten und sich selbst zu
Weihnachten. Großzügig waren sie auch schon lange davor. Und danach
sind sie es wohl auch. Das Geld sitzt locker. Ausgangspunkt dieser
Stimmung ist die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank nach
der Banken- und Finanzkrise. Raus mit der Kohle, sie ist ja eh nix
mehr wert - dieser Devise folgen immer mehr Bürger. Aber stimmt das?
Gegenwärtig ist eher das Gegenteil richtig. Der niedrige Zins ist
Folge einer geringen Inflation. Hohe Inflation bedeutet starke
Geldentwertung, niedrige oder keine Inflation mithin geringe
beziehungsweise keine Geldentwertung. Der Wert des Geldes bemisst
sich daran, wie viel man dafür kaufen kann. Bei stabilen Preisen -
was historisch betrachtet eher selten der Fall ist - ist das mehr als
bei Inflation. Geld ist momentan also viel wert. Wer glaubt, Geld
hätte seinen Wert verloren, könne es ihm ja schmerzfrei schenken, hat
der Chefvolkswirt der EZB, Peter Praet, ironisch auf Kritik an der
Politik der Zentralbank reagiert. Der hochrangige Banker wurde nicht
gerade mit Euros überschüttet, zumindest ist nichts dergleichen
bekannt. Man muss davon ausgehen, dass die Menschen ihr vorgeblich
wertloses Geld doch lieber behalten. Oder für etwas anderes ausgeben.
Denn betrachtet man die Erwartungshaltung, dann dreht sich die
Perspektive. Nicht umsonst sind die Preise für Immobilien in Regionen
wie Regensburg, in denen es weiter aufwärts gehen soll,
explosionsartig gestiegen. Das Gleiche gilt für andere Sachwerte, von
denen sich die Anleger - bisweilen von arg fragwürdigen Hoffnungen
getrieben - Werthaltigkeit und -zuwachs versprechen. Die an
Ratlosigkeit grenzende Suche treibt seltsame Blüten. Exorbitante
Preissteigerungen bei Oldtimern oder Kunstwerken haben Fachleute
erstaunt und Verkäufer entzückt. Das zeigt: Die Anleger sind bereit,
immer höhere Risiken einzugehen, nur um ihr Geld umzuwandeln in
materielles Vermögen. Sollte sich der Trend etwa bei Kunstwerken
umkehren, dann würde Praet doch Recht bekommen: Die Käufer hätten
zwar nicht ihm, aber den Kunstverkäufern ihr Geld mehr oder weniger
geschenkt. Zwar ist die Strategie der EZB aufgegangen, Geld
lockerzumachen und in den Wirtschaftskreislauf zu schleusen.
Allerdings flutet der monetäre Segen nicht gerade jene Sektoren,
welche die Volkswirtschaft auf Dauer voranbringen. Investitionen in
alte Autos und Skulpturen zünden keine Ideen für innovative
Entwicklungen. Auch Beton gilt kaum als langfristig übermäßig
produktiv. In ganz Europa scheinen die Regierungen ohnehin schon froh
über jeden Tag zu sein, an denen ihnen das Finanzsystem nicht erneut
um die Ohren fliegt. Der Krisenmodus ist ein Dauerzustand. Bei der
Bekämpfung neuer alter Krisen wie aktuell in Italien scheint jedes
Mittel erlaubt, unbesehen, ob es im vorgesehenen Regelwerk enthalten
ist. Hauptsache, Geldzombies wie die Monte dei Paschi krachen nicht
zusammen. Dabei sollte genau diese Situation nie mehr wiederkehren,
dass eine Bank zu groß ist, um sie pleitegehen zu lassen. Und nie
wieder sollten die Steuerzahler das Vermögen der Anteilseigner retten
müssen. Von wegen, Ziel verfehlt. Das haben die USA besser und
radikaler gelöst. Zumindest gefühlt - und wohl auch in Wirklichkeit -
saßen wir noch nie auf einem so riesigen Pulverfass wie heute. Im
Bemühen, möglichst jede Unruhe vom System fernzuhalten, wirken EZB
und Politik in Europa paralysiert. Das geht auf Dauer nicht gut. Es
wird Zeit für einen Abschied vom "Weiter so". Wir werden etwas
riskieren müssen. Zinsen anheben, Schulden erlassen - beides wird
unumgänglich sein.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

605723

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Arbeitsmarkt Bielefeld (ots) - Um als »arbeitslos« gezählt zu werden, reicht es nicht, keinen Job zu haben. Man muss auch in der Lage sein zu arbeiten - also zum Beispiel alt oder auch jung genug, gesund genug und schulisch vorgebildet. Und man muss lange genug und legal in Deutschland leben. Der letztgenannte Punkt wird in diesem Jahr zwangsläufig dazu führen, dass trotz weiterer Zunahme bei den Erwerbstätigen auch die Zahl der Arbeitslosen steigt. Das klingt paradox, lässt sich aber erklären. Viele Flüchtlinge, die 2015 und 2016 nach mehr...

  • Der Tagesspiegel: Immer mehr Mieter suchen Hilfe gegen Mieterhöhungen Berlin (ots) - Immer mehr Mieter in Ballungszentren leiden unter Mieterhöhungen und wenden sich nach Tagesspiegel-Informationen (Montagausgabe) deshalb an einen Mieterverein. In keinem anderen Bereich nehmen die Beratungsfälle so rasant zu. Das zeigt eine Auswertung des Deutschen Mieterbunds über die Rechtsberatungen, die 2015 in den Mietervereinen stattgefunden haben. Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an: Der Tagesspiegel, Wirtschaftsredaktion, Telefon: 030/29021-14606 http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/wohnen-wird-teurer-mieter-su mehr...

  • Der Tagesspiegel: Ifo-Chef Fuest: Italien könnte Euro-Zone verlassen Berlin (ots) - Ifo-Chef Clemens Fuest befürchtet, dass Italien langfristig aus der Euro-Zone austreten könnte. "Das Wohlstandsniveau in Italien liegt auf dem Niveau von 2000. Wenn sich daran nichts ändert, werden die Italiener irgendwann sagen: Wir wollen diese Euro-Zone nicht mehr", sagte Fuest dem Tagesspiegel (Montagausgabe). Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an: Der Tagesspiegel, Wirtschaftsredaktion, Telefon: 030/29021-14606 http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/ifo-chef-clemens-fuest-warnt -italien-koennte-aus-der-euro-zone-austreten/19195736.html mehr...

  • WAZ: Post beendet Kümmerer-Service für Senioren Essen (ots) - Die Deutsche Post hat einen kostenpflichtigen Zusatzservice für ältere Menschen und Hilfsbedürftige beendet. Wie das Unternehmen auf Anfrage der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Dienstagausgabe) bestätigte, wurde das bundesweit beachtete Projekt "Post persönlich" bereits vor Monaten eingestellt. Beim Briefzustellen in Ruhrgebietsstädten sollten Postboten insbesondere bei älteren Kunden regelmäßig nach dem Rechten sehen und im Notfall Hilfe rufen. "So haben auch die Angehörigen das sichere Gefühl zu wissen, mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Falsche Logik / Kommentar zur verhaltenen Resonanz auf E-Auto-Kaufprämie Regensburg (ots) - Politik muss plakativ lautsprechen, um aufzufallen und zu bewegen. Das weiß Maut-Minister Dobrindt. Seine Forderung, die Autobauer müssten jedes Modell auch als Stromer anbieten, dürfen wir aber schlicht als Ruf in die Nachrichtenleere des Jahreswechsels deuten. Viel wirkungsvoller, aber auch konfliktträchtiger wäre es, nur an ökologischen Kriterien orientierte Vorgaben zu machen - inklusive Last- und Lieferverkehr. Wenn die Politik will, dass sich E-Autos durchsetzen, muss sie zu günstigen Rahmenbedingungen beitragen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht