Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zur Inflation:
Geschrieben am 14-02-2017 |
Regensburg (ots) - Das Desaster schröpfte die Konten und wirkt in
den Köpfen gnadenlos nach. Es war kurz vor und um die
Jahrtausendwende, als der Tatort-Mime Manfred Krug sein populäres
Gesicht der Telekom lieh und für die angebliche "Volksaktie"
trommelte, es war die Zeit, als in anderen Werbespots naseweise
Abiturientinnen ihren finanztechnisch hoffnungslos verkalkten Opas
Aktienfonds als Alternative zum desaströs verzinsten Sparbuch
aufschwatzten. Dann platzte die New-Economy-Blase und machte aus der
in diesem Land ökonomisch maßgeblichen Generation der Babyboomer
gebrannte Kinder. Gleichsam reflexartig, aber natürlich auch aus
wohlverstandenem Eigeninteresse preist das Deutsche Aktieninstitut
aktuell wieder die mit Geld aufzuwiegenden Segnungen einer gesunden
Wertpapierkultur. Denn daran krankt es. Die Hoffnung des DAI: Die
steigende Inflationsrate möge angesichts der vorherrschenden
Nullzinspolitik den notorisch börsenfaulen Deutschen endlich Beine
machen. Gewiss, die Teuerung ist teilweise Sondereffekten wie dem
Anstieg der Energiekosten im Gefolge der Drosselung der
Erdölförderung geschuldet. Doch wird das Dilemma für die breite Masse
der Sparer immer handfester, es lässt sich in Heller und Pfennig
beziffern. Und alternative Anlageformen sind in der Ära des
ultrabilligen Geldes nicht mehr so wohlfeil, wie zum Beispiel die
Herolde des Aktienmarktes lauthals verkünden. An allen Ecken und
Enden des Finanzkosmos droht den mühseligen und beladenen Sparern
eine Blasenbildung. Immobilien? Der Kaufpreis einer Wohnung in
München ist innerhalb von gerade mal sechs Jahren um sagenhafte 115
Prozent geklettert. Selbst in beschaulichen Flecken wie Fulda beträgt
die Steigerung zwei Drittel. Staatsanleihen? Gut für einen ruhigen
Schlaf (zumindest deutsche), schlecht für die Rendite. Bleiben also
tatsächlich nur Aktien? Seit Beginn der Finanzkrise 2008 hat der Dax
146 Prozent zugelegt. Aber Experten warnen, dass sich die Kurse von
der tatsächlichen Wirtschaftsleistung abkoppeln. Zudem schreit diese
Anlageform nach einem langen Atem. Wer aus der Babyboomer-Generation
hat den noch? Die schleichende Enteignung der Sparer birgt enorme
Sprengkraft. Sie konterkariert alle Appelle der Politik zur privaten
Altersvorsorge. Sie macht all jene zu Verlierern, die zum Beispiel
mit Lebensversicherungen bereits in diese Vorsorge investiert hatten.
Am schlimmsten aber: Der gefährliche Mix aus höheren
Lebenshaltungskosten und niedrigen Zinsen lässt sich zumindest
hierzulande populistisch als Argument gegen den Euro und Europa
ausschlachten - und das in einer Zeit, in der die Union ohnehin mit
Zweifeln an ihrer Daseinsberechtigung ringt. Nicht nur der Sparer,
auch die Europäische Zentralbank steckt in einem Dilemma. Die
Inflationsrate in der Euro-Zone hinkt der deutschen deutlich
hinterher. Jetzt die Zinsen zu erhöhen, hieße für Mario Draghi & Co.,
eventuell den jüngst verzeichneten moderaten Wirtschaftsaufschwung
auf dem Kontinent zu strangulieren. Die Maßnahme würde zudem einen
Stresstest für die Staatshaushalte - primär im südlichen Euro-Raum -
bedeuten. In der deutschen Politik wird die drohende Destabilisierung
der ökonomischen Basis der Mittelschicht inzwischen durchaus
thematisiert. Aber sie baut wohl darauf, dass sich die Sondereffekte
einebnen und sich die Inflation mittelfristig wieder auf einem
niedrigeren Stand einpendelt. Sollte dem nicht so sein, ist eine
Debatte über Steuererleichterungen unvermeidbar. Je mehr der AfD die
Flüchtlingskrise als Thema wegbricht, desto eher wird sie im
heraufziehenden Wahlkampf wieder ihr eigentliches Steckenpferd
reiten: die Krise des Euro.
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Mittelbayerische Zeitung
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