Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zum Doppelpass-Angebot von Österreich an Südtirol:
Geschrieben am 20-12-2017 |
Regensburg (ots) - Der Spruch Felix Austria, glückliches
Österreich, soll auf Herzog Rudolf IV. im 14. Jahrhundert
zurückgehen, der damit die unblutige Einverleibung der Grafschaft
Tirol unter die Herrschaft der Habsburger würdigte. Eher durch
geschickte Heiratspolitik denn durch Kriege wurde der
Herrschaftsbereich immer weiter ausgedehnt. Bis Österreich-Ungarn
infolge des Ersten Weltkrieges zertrümmert wurde und in viele
Kleinstaaten zerfiel. Das überwiegend von Deutschsprachigen bewohnte
Südtirol wurde seinerzeit Italien zugeschlagen. Unter Diktator
Mussolini wurden Deutsche in Südtirol schlimm unterdrückt. Nach dem
Krieg gab es bis in die 60er Jahre hinein gewaltsame Bestrebungen,
Südtirol von Roms Herrschaft zu lösen. Erst eine weitgehende
Autonomie beruhigte die Lage. Die neue rechts-konservative Regierung
in Wien kommt jetzt, getrieben von der FPÖ, auf die Schnapsidee,
Südtirolern neben der italienischen auch die österreichische
Staatsbürgerschaft anzubieten. Dabei sind die Pläne für diese Art
Doppelpass nicht einfach so eine Idee, die beim Heurigen gekommen
ist, sondern stehen sogar im schwarz-blauen Regierungsprogramm. Der
Vizekanzler und Chef der "Freiheitlichen" Heinz-Christian Strache tut
so, als sei der Doppelpass der Wunsch aller in Südtirol vertretenen
Parteien. Dabei rückt der österreichische Chef-Rechtspopulist ohne
Not ein Thema in den Fokus, das eigentlich längst erledigt, weil
praktisch befriedigt schien. Strache scheint mit seinem Vorstoß auch
weniger auf die Südtiroler zu schielen, als vielmehr auf seine
Parteigänger in Österreich. Die Menschen in der autonomen Nordprovinz
Italiens zwischen Bozen, Meran und Reschenpass können in ihrer großen
Mehrheit mit ihrer besonderen Situation als Südtiroler mit
italienischem Pass ganz gut leben, ob in der Heimat, die staatlich zu
Italien gehört, oder in Österreich und Deutschland. Strache jedoch
schürt mit seinem nationalistischen Vorstoß zugleich einen längst
eingedämmten Konflikt in Italien. Die Rechte dort schwadroniert
bereits wieder mit der Losung: Hände weg von Italien. Da hilft es
auch wenig, dass der österreichische Jung-Kanzler Sebastian Kurz die
Europa-Politik für sich beansprucht. Die Außenpolitik Wiens wird von
der der FPÖ nahe stehenden Ministerin Karin Kneissl betrieben. Kurz
lässt den Regierungspartner in der Südtirol-Frage offenbar gewähren.
Damit freilich unterläuft er fundamentale Grundsätze der Europäischen
Union. Der Doppelpass-Vorstoß aus Wien ist nicht nur abträglich für
das Verhältnis zu Italien, sondern kommt auch deshalb zur Unzeit,
weil eine Populismuswelle, die Polen, Ungarn, Tschechien, die
Slowakei - die sogenannten Visegrad-Staaten - oder Rumänien erfasst
hat, die Fundamente der EU gefährdet. Die Kluft zwischen
westeuropäischen Staaten und "Neu"-Mitgliedern der Union wird etwa
beim Umgang mit einer unabhängigen Justiz deutlich. Polen und Ungarn
sind dabei, diese Unabhängigkeit völlig zu schleifen. Im Fall der
Rechtsstaatsverletzungen von Warschau fährt Brüssel nun schweres
Geschütz auf. Allerdings sind die Kanonen der EU nur mit Konfetti
geladen. Wirklich scharfe Sanktionen haben weder Polen noch Ungarn zu
befürchten. Österreichs Bundeskanzler Kurz hat gestern in Brüssel
erklärt, er wolle zwischen den Ost- und West-Europäern Brücken bauen,
die Spannungen, etwa in der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen,
entschärfen. Allerdings muss der auch hierzulande bejubelte Wiener
Regierungschef aufpassen, dass er nicht selbst ins Lager der
Europa-Verweigerer und -Gegner abdriftet. Die EU ist auch eine
Solidar- und Wertegemeinschaft. Surfen auf der Welle des
Rechtspopulismus gehört nicht dazu. Kurz sollte dies seinen
Regierungs-Partnern von der FPÖ unmissverständlich klarmachen.
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