Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu den Grünen: Die Grünen werden bürgerlicher von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 28-01-2018 |
Regensburg (ots) - Wer wagt, beginnt. So lautet der Titel eines
Buches des neuen Grünen-Spitzenmannes Robert Habeck, der zusammen mit
der Potsdamerin Annalena Baerbock seit dem Wochenende die neue, junge
Doppelspitze der Partei bildet. Mit der Wahl von gleich zwei Realos
leiten die Grünen nach dem schmählichen Scheitern des
Jamaika-Experiments die personelle und inhaltliche Erneuerung ihrer
Partei ein. Und sie tun das so frisch, so elanvoll, so jenseits
urgrüner Rituale, dass die anderen Parteien dagegen plötzlich sehr
alt aussehen. Dabei galt Habeck, der im Hauptberuf Umwelt-,
Landwirtschafts- und Energiewendeminister in Schleswig-Holstein ist
und den Parteijob vorerst quasi als Nebenerwerbsvorsitzender ausüben
wird, schon lange als der heimliche Star der Ökopartei. Gegen den
bisherigen Parteichef Cem Özdemir unterlag Habeck in der Urwahl der
Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl nur hachdünn. Und bereits damals
meinten viele, mit dem strubbelhaarigen Quereinsteiger von der Küste
hätten die Grünen größere Chancen als mit dem in die Jahre gekommenen
Kandidaten-Duo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt. Vielleicht war
das auch wirklich so. Neue Gesichter braucht das Land. Der
hemdsärmelige Habeck entzieht sich der jahrzehntelang bei den Grünen
geübten Einteilung in Linke hier und Realos da. Als Landesminister in
Kiel oder bei den Jamaika-Verhandlungen in Berlin macht er ganz reale
praktische Politik. Und wenn er über die Zukunft nachdenkt, offenbart
der Mann ein philosophisch gefestigtes Wertefundament, das jedoch
wiederum nicht in Rechts-Links-Raster gepresst werden kann. Die
Politik darf sich nicht wegducken vor den realen Problemen, könnte
Habecks Credo lauten. Und das gilt sowohl für die Herausforderung des
weltweiten Klimawandels, für die Digitalisierung oder die
Flüchtlings- und die Sicherheitspolitik. Seit ihrer Gründung vor fast
vier Jahrzehnten haben die Grünen mit Argusaugen darauf geachtet,
dass der linke und der Realo-Flügel je einen Co-Vorsitz erhielten.
Mit diesem alten Zopf, der eher zur Lähmung und zu Reibereien führte,
wurde in Hannover überraschend flott Schluss gemacht. Die Grünen
wollen nach über zwölf Jahren in der bundespolitischen Opposition
wieder an die Macht. Und das Streben nach Macht ist für sich genommen
erst einmal ein legitimer Anspruch einer Partei. Die SPD etwa tut
sich viel schwerer damit. Und die Liberalen liefen einfach davon, als
es ernst wurde. Die Frage ist nun, ob die Grünen mit ihren
politischen Konzepten auch über die angestammte Wählerklientel hinaus
Zuspruch und Anhänger finden werden. Sie haben in den vergangenen
Jahren zumindest gelernt, das selbst solch eminent wichtige
Überlebensfragen der Menschheit wie die Klimakrise nicht gegen,
sondern mit den Menschen angegangen werden müssen. Gleiches gilt für
die Landwirtschaft und die Energiewende. Zwar ist der erhobene
Zeigefinger bei den Grünen noch nicht ganz verschwunden, doch
Personal wie Baerbock und Habeck sind keine fundamentalen
ideologischen Eiferer, die es bei den Grünen auch gab und noch gibt.
Dass nun gleich zwei "Realos" an der Grünen-Spitze stehen, wird von
vielen Beobachtern - auch von einigen Grünen selbst - als ein Ruck in
die Mitte der Gesellschaft, womöglich gar nach Rechts, interpretiert.
Allerdings steckt dahinter eine sehr einseitige Wahrnehmung. Richtig
ist, dass die Grünen zunehmend bürgerlicher, man könnte auch sagen
volksnäher, geworden sind.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
623551
weitere Artikel:
- Stuttgarter Nachrichten: zum Trainerwechsel beim VfB: Stuttgart (ots) - Der VfB Stuttgart hat sich mal wieder von einem
Trainer getrennt. Vollbremsung! Diesmal erwischt es Hannes Wolf. Aber
es wäre viel zu kurz gesprungen, die Trennung mit fehlender Fortüne,
mit taktischen und strategischen Fehlgriffen oder gar mangelhafter
Trainingsarbeit zu erklären. Der VfB ist nach dem Wiederaufstieg
erschreckend schnell von dem Weg abgebogen, den Präsident Wolfgang
Dietrich so eindeutig und kompromisslos vorgezeichnet hatte: Der
sportliche Neuaufbau sollte mit überwiegend jungen und frischen
Kräften mehr...
- Berliner Zeitung: Kommentar zum Führungswechsel bei den Grünen. Von Markus Decker Berlin (ots) - Robert Habecks herausragende Qualität besteht
darin, dass er den Leuten Lust auf Politik machen kann wie derzeit
kein zweiter Politiker in Deutschland. Dass da einer den Optimismus
verbreitet, dass es im besseren Sinne anders werden könnte, ist in
dieser düsteren Gegenwart von unschätzbarem Wert. Die Qualität
potenziert sich noch, wenn er mit Baerbock gemeinsam auftritt.
Habecks Zugang ist freilich sehr feuilletonistisch. Das reicht, um
Projektionen auf sich zu ziehen. Es reicht nicht mehr, wenn man als
Vorsitzender mehr...
- Stuttgarter Zeitung: Neue Spitze bei den Grünen Stuttgart (ots) - Baerbocks und Habecks Wahl ist verbunden mit dem
Wunsch, Konflikte nicht parteiintern auszufechten, sondern im Dialog
mit den Wählern aufzulösen.Die Entideologisierung, die damit weiter
voranschreitet, kann eine Chance für die Grünen sein. Wenn das
Abschütteln alter Parteidogmen nicht für inhaltliche Beliebigkeit
steht, sondern für die Offenheit, klare Ziele auf unterschiedlichen
Wegen erreichen zu können, dürfte auch in Zukunft Platz für sie sein
im bundesrepublikanischen Parteienspektrum. Eine stark mit sich
selbst mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Parteitag
Grüne Projektionsflächen
Marina Kormbaki, z. Zt. Hannover Bielefeld (ots) - Deutschland hat eine grüne Volkspartei. Diesem
Eindruck konnte erliegen, wer am Wochenende die Nachrichten verfolgt
hat. Grün, grün, grün auf allen Kanälen. Der lässige Robert Habeck an
der Seite der kämpferischen Annalena Baerbock - zwei frisch und
dynamisch auftretende Parteichefs, die richtig was bewegen wollen.
Doch die Begeisterung auf dem Grünen-Parteitag und die Sympathien
darüber hinaus lenken ein wenig ab von der trüben Wirklichkeit: Die
Grünen sind im Bund bloß eine 8,9-Prozent-Partei, kleinste Fraktion mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: MZ-Kommentar zur AfD in Sachsen-Anhalt Halle (ots) - Im Landesverband Sachsen-Anhalt tobt der interne
Streit wie eine Art Stellungskrieg, ohne wesentliche Geländegewinne
für eine Seite. Landeschef André Poggenburg hat die Mehrheit hinter
sich. Er lenkt die Fraktion und den Landesvorstand. In Gardelegen hat
nun der gegnerische Parteiflügel die Muskeln spielen lassen. Er ließ
wichtige Beschlussvorlagen durchfallen. Um die nötige
Zweidrittelmehrheit der Stimmen zu erhalten, hätte es Kompromisse
gebraucht. Dazu aber ist Sachsen-Anhalts AfD nicht in der Lage.
Pressekontakt: mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|