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BERLINER MORGENPOST: Vorsicht, Parallelwelten / Leitartikel von Julia Emmrich zu Privatschulen

Geschrieben am 15-03-2018

Berlin (ots) - Kurzfassung: Es gibt Experten, die feste
Obergrenzen für den Migrantenanteil im Klassenzimmer vorschlagen. Der
Gedanke ist plausibel, zeigen doch Studien, dass eine ausgewogene
Mischung den Lernerfolg aller Kinder steigert. Doch ein Allheilmittel
ist das nicht. Die Lösung muss früher ansetzen: In den Kitas. Wo
nicht nur Sprache und Motorik, sondern auch die Regeln fürs
Miteinander eingeübt werden. Das kostet Kraft und Geld. Die Politik
weiß das seit Jahren. Und genauso lange wissen Eltern, dass gute
Kitas und gute Schulen kein selbstverständliches staatliches Angebot
sind, sondern eine Frage von Glück oder hohen Kosten. Kein Wunder,
dass sie Auswege suchen.

Der komplette Kommentar: Moritz ist einer von knapp drei Millionen
Grundschülern in Deutschland. Im kommenden Jahr soll er aufs
Gymnasium gehen. Das nächste liegt nur drei Straßen weiter. Doch die
Familie zögert. Die Mehrheit der Schüler dort stammt aus türkischen
und arabischen Familien. Der Ruf der Schule ist schlecht, viele
beklagen die Macho-Kultur der Jungs, das ruppige Klima in den Pausen.
Moritz kommt aus einer Familie, in der viel Wert auf Höflichkeit und
Respekt gelegt wird, in der Jungen selbstverständlich Hausarbeit
übernehmen und lernen, dass man sich heftig streiten darf, dass man
andere aber nicht demütigt oder brutal attackiert. Moritz' Eltern
wollen, dass ihr Sohn auf eine Schule geht, wo er nicht schon am
ersten Tag erlebt, dass andere Kinder anders erzogen wurden. Sicher,
die beiden haben die multikulturelle Gesellschaft immer verteidigt -
doch jetzt zögern sie. Man muss das nicht richtig finden. Man muss es
aber ernst nehmen. Denn: Die Frage der Schulwahl ist im Jahr 2018
nicht nur eine Frage von Schulprofil, Leistungsanspruch oder
Erreichbarkeit. Für viele Eltern geht es längst um mehr: Sie sehen,
unter welchem Druck viele öffentliche Schulen durch steigende
Schülerzahlen, Lehrermangel und die Herausforderungen durch die
Integration von Zuwandererkindern stehen - und suchen Auswege.
Innerhalb des öffentlichen Schulsystems, aber auch außerhalb:
Umfragen zeigen, dass rund ein Viertel der Eltern ihre Kinder gerne
auf eine Privatschule schicken würde. Dass dennoch nur jedes zehnte
Kind in Deutschland auf eine Schule in privater Trägerschaft geht,
liegt auch daran, dass es nicht genug Plätze gibt und sich viele sich
das Schulgeld nicht leisten können. Der große Andrang auf
Privatschulen oder öffentliche Schulen mit besonderem Profil und
strengem Auswahlverfahren speist sich dabei nicht nur aus dem Kreis
der deutschen Bildungseliten. Den Wunsch nach einer guten Schule mit
ausgeglichener Mischung bei der Schülerschaft findet man genauso bei
bildungsbewussten Eltern mit ausländischem Pass oder deutschen Eltern
mit Hauptschulabschluss. Schulen, die sich ihre Schüler selbst
aussuchen können, sind nicht grundsätzlich besser als öffentliche
Schulen mit lokalem Einzugsgebiet und einer sehr heterogenen
Schülerschaft. Doch sie geben den Eltern das Gefühl, auf
Gleichgesinnte zu treffen. Und ihre Kinder unter Gleichgesinnten zu
wissen. Das ist verständlich, aufs Ganze gesehen, aber riskant. Denn:
Schulen sind heute der einzig verbindliche Ort, wo Kinder unabhängig
von ihrer Herkunft gemeinsame Werte und sozialen Zusammenhalt einüben
können. Theoretisch zumindest. Praktisch dagegen haben sich besonders
in Großstädten längst pädagogische Parallelwelten gebildet. Die
Bundesregierung will nun den Zusammenhalt in Deutschland stärken -
auch im Schulsystem ist das dringend nötig. Doch was lässt sich gegen
das Auseinanderdriften tun? Es gibt Experten, die feste Obergrenzen
für den Migrantenanteil im Klassenzimmer vorschlagen. Der Gedanke ist
plausibel, zeigen doch Studien, dass eine ausgewogene Mischung den
Lernerfolg aller Kinder steigert. Doch ein Allheilmittel ist das
nicht. Die Lösung muss früher ansetzen: In den Kitas. Wo nicht nur
Sprache und Motorik, sondern auch die Regeln fürs Miteinander
eingeübt werden. Das kostet Kraft und Geld. Die Politik weiß das seit
Jahren. Und genauso lange wissen Eltern, dass gute Kitas und gute
Schulen kein selbstverständliches staatliches Angebot sind, sondern
eine Frage von Glück oder hohen Kosten. Kein Wunder, dass sie Auswege
suchen.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


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