Mittelbayerische Zeitung: Mehr als ein Symbol / Die Verteidigungsministerin setzt sich mit dem neuen Traditionserlass dafür ein, dass die Truppe ein neues Selbstverständnis entwickelt. Das ist überfäl
Geschrieben am 28-03-2018 |
Regensburg (ots) - Haben die wirklich nichts Besseres zu tun? Da
klemmt es bei der Bundeswehr an allen Ecken und Enden: Panzer, die
nicht fahren, Flugzeuge, die nicht fliegen, selbst einfache
Soldatenstiefel fehlen. Genauso wie Nachtsichtbrillen oder
Schutzwesten. Aber Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
kümmert sich um Dienstvorschriften, preist den von ihr initiierten
neuen Traditionserlass für die Truppe. Das sind zehn Seiten Papier,
die vermutlich die wenigsten lesen werden. Ja, so kann man denken.
Aber es ist kurzsichtig gedacht. Denn die Bundeswehr hat auch einen
historisch-politischen Nachholbedarf. Sie hat Defizite in ihrem
Selbstverständnis. Und es ist gut, dass sich die
Verteidigungsministerin endlich darum gekümmert hat. Als im
vergangenen Frühjahr die Affäre um den Soldaten Franco A. für
Schlagzeilen sorgte, sprach die Ministerin von "Gift" für den guten
Ruf der Truppe. Franco A. war nicht nur terrorverdächtig, sondern
auch ein Hitler-Verehrer und Rechtsextremist. Davon zeugte sogar
seine Master-Arbeit. Aber die Sache wurde in der Bundeswehr lange
vertuscht. Ein klares Führungsversagen. Mag sein, dass von der Leyen
daraufhin übereifrig reagierte, als sie die gut 30 000 Einrichtungen
der Bundeswehr allesamt nach Nazi-Devotionalien absuchen ließ und
damit einen Generalverdacht heraufbeschwor, den viele Soldaten
befremdlich fanden. Im Kern war ihre Entscheidung jedoch richtig.
Denn es ging ja nicht nur um ein paar Stahlhelme der Wehrmacht oder
Modell-Flugzeuge mit Hakenkreuz am Leitwerk. Im Fadenkreuz stand und
steht der braune, der militaristische Ungeist, der sich bis heute
auch in den Namen mancher Kasernen der Bundeswehr widerspiegelt. Wer
meint, das seien alles "olle Kamellen" ohne Bezug zur Wirklichkeit,
der sollte sich das verstörende Geschichtsbild der AfD in Erinnerung
rufen, der derzeit stärksten Oppositionspartei im Bundestag: Ihr
Chef, Alexander Gauland, zum Beispiel reklamiert "das Recht, stolz zu
sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen". Mit
solchen Einstellungen lassen sich auch schlimmste Verbrechen
salonfähig machen. Umso wichtiger ist es, dass der neue
Traditionserlass der Bundeswehr glasklare Grenzen zieht und die
Wehrmacht als "nicht traditionswürdig einstuft". Es ist mehr als ein
Symbol, wenn zeitgleich mit dessen Inkrafttreten eine Kaserne den
Namen eines deutschen Eroberers im Ersten Weltkrieg ablegt und fortan
den eines in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten trägt. Es ist
darüber hinaus ein Signal, dass sich die Bundeswehr zur eigenen
Historie bekennt, den Blick auf ihre 60-jährige Geschichte lenkt.
Auch die ist nicht frei von Brüchen. Kalter Krieg, Armee der Einheit,
aber auch eine Truppe im Einsatz. Auf dem Balkan, in Afghanistan und
dem Mittelmeer, in Mali und im Irak. All das soll eine stärkere Rolle
spielen. Es wird auch Zeit. Ja, die Truppe leidet unter erheblichen
Ausrüstungsmängeln. Darauf schaut auch die Öffentlichkeit zuerst.
Aber der Geist der Bundeswehr muss ebenfalls stimmen. An welchen
Werten sie sich orientiert, aber auch, an welchen nicht, das ist nun
klar und deutlich formuliert und zweifellos ein Verdienst der
Ministerin. Der neue Traditionserlass bildet allerdings nur den
Rahmen für das neue Selbstverständnis der Truppe. Einfach per Befehl
wird er nicht auszufüllen sein. Von der Leyen muss jetzt dafür
sorgen, dass er gelebt wird. Die historisch erstmalige Benennung
einer Kaserne nach einem im Auslandseinsatz umgekommenen
Bundeswehrsoldaten ist dafür ein Anfang.
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