BERLINER MORGENPOST: Der Basar ist eröffnet / Leitartikel von Philipp Neumann zur Grundsteuer
Geschrieben am 10-04-2018 |
Berlin (ots) - Kurzform: Wie wird eine Lösung aussehen? Alle
Vorschläge für die Reform liegen auf dem Tisch. Es geht jetzt darum,
wie bürokratisch, teuer und undurchsichtig die Bewertung der
Immobilien ablaufen wird. Klar ist: Eine völlige Neubewertung
scheidet aus, sie ist zu aufwändig. Gegen die einfachste Variante,
eine Bodenwertsteuer, formiert sich bereits politischer Widerstand,
weil sie zu geringe Einnahmen brächte. Das Ergebnis wird irgendwo in
der Mitte liegen und schon deshalb kompliziert werden. Am
wahrscheinlichsten ist ein großer Kuhhandel auf dem politischen
Basar, bei dem sich Kommunen und Länder ihre Zustimmung wieder einmal
teuer vom Bund abkaufen lassen werden.
Der vollständige Leitartikel: Das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zur Grundsteuer ist ein
Paukenschlag. Zum wiederholten Mal zwingen die Richter die
Bundesregierung, offenkundig verfassungswidrige Regelungen zu ändern.
Sie haben dafür den engen Zeitrahmen von nur einem Jahr vorgesehen.
In dem Druck, der durch diese kurze Frist entsteht, liegt die Brisanz
des Urteils. In der Sache war es lange erwartet worden. Eine
Neuregelung war und ist überfällig. Anzunehmen ist, dass das Urteil,
das derzeit nur für den Westen Deutschlands gilt, auch eine Reform im
Osten nach sich ziehen wird. Politischer Sprengstoff entsteht durch
die Tragweite, die eine Reform der Grundsteuer haben wird. Jeder wird
davon betroffen sein - egal, ob er Hausbesitzer, Mieter oder
Unternehmer ist. Für Städte und Gemeinden geht es um einen ganz
erheblichen Teil - rund zehn Prozent - ihrer unmittelbaren
Steuereinnahmen. Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer die
einzige Geldquelle, an der die Kommunen selbst wirksam etwas
verändern können. Von den 14 Milliarden Euro, die bundesweit jedes
Jahr auf diese Weise zusammenkommen werden, wollen alle so viel wie
möglich abhaben. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und seine
Kollegen in den Ländern werden nun bei der Reform darauf Rücksicht
nehmen müssen. Entsprechend kontrovers wird die Diskussion ab jetzt
verlaufen. Der Zeitdruck hilft, zu einer Lösung zu kommen. Es geht um
nicht weniger als die Quadratur des steuerpolitischen Kreises,
nämlich darum, die Einnahmen der Kommunen nicht zu schmälern und
gleichzeitig die Bürger und die Wirtschaft nicht zusätzlich zu
belasten. Schon macht das Wort von der heimlichen Steuererhöhung die
Runde. Genau die hat die große Koalition aber explizit
ausgeschlossen: "Wir werden die Steuerbelastung der Bürger nicht
erhöhen", lautet der zentrale Satz im Koalitionsvertrag, an dem im
nächsten Jahr niemand vorbeikommt, auch wenn jeder weiß, dass die
Passage im Ernstfall flexibel ausgelegt wird. Eine Entlastung hier,
mehr Belastungen dort - es wäre nicht das erste Mal, dass die Politik
so argumentiert. Wer bald mehr Steuer für seine Wohnung oder sein
Haus zahlen muss, dem ist nicht damit geholfen, dass das Aufkommen
aus der Steuer "unter dem Strich" nicht steigen soll. Dass es anders
verteilt werden wird als heute, das ist bei 35 Millionen
Grundsteuerbescheiden gar nicht anders möglich. Es wird also Gewinner
und Verlierer geben. Die offene Frage ist, wer dazugehört:
Eigenheimbesitzer am Stadtrand oder Mieter in der Innenstadt?
Gewerbetreibende und Unternehmen? Es geht bei der Grundsteuer nicht
um gigantische Summen. Eigenheimbesitzer zahlen pro Jahr einige
hundert Euro, Mieter etwa 20 Cent pro Quadratmeter. Sollten sich
diese Summen aber verdoppeln oder noch stärker erhöhen, wie es bei
einigen Reformvorschlägen möglich ist, dann ist das nicht nur
unangenehm. Die sozialen Verteilungswirkungen können dramatisch sein.
Wie wird eine Lösung aussehen? Alle Vorschläge für die Reform liegen
auf dem Tisch. Es geht jetzt darum, wie bürokratisch, teuer und
undurchsichtig die Bewertung der Immobilien ablaufen wird. Klar ist:
Eine völlige Neubewertung scheidet aus, sie ist zu aufwändig. Gegen
die einfachste Variante, eine Bodenwertsteuer, formiert sich bereits
politischer Widerstand, weil sie zu geringe Einnahmen brächte. Das
Ergebnis wird irgendwo in der Mitte liegen und schon deshalb
kompliziert werden. Am wahrscheinlichsten ist ein großer Kuhhandel
auf dem politischen Basar, bei dem sich Kommunen und Länder ihre
Zustimmung wieder einmal teuer vom Bund abkaufen lassen werden.
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BERLINER MORGENPOST
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