Mittelbayerische Zeitung: Problem-Anpacker gefragt / Ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung, Regensburg
Geschrieben am 12-04-2018 |
Regensburg (ots) - Nach dem holprigen Start der neuen
Bundesregierung soll nun in den Arbeitsmodus gewechselt werden. Das
ist angesichts der enormen Aufgaben auch bitter nötig.
Bilder mit locker wirkenden Politikern in schöner Umgebung machen
sich immer gut. Vor 52 Jahren fand sich die erste GroKo - damals
unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger und Vizekanzler Willy Brandt -
unter einem Baum im Garten des Kanzleramtes zusammen. Die
Balkon-Bilder der potenziellen Jamaika-Koalitionäre vom letzten
Herbst sollten wohl ebenfalls Aufbruch vermitteln. Und das lauschige
Barockschloss Meseberg, rund 80 Kilometer vom Berliner Kanzleramt
entfernt, war bereits mehrfach der fotogene Ort für
Kabinettsklausuren. Nur, was ist rausgekommen bei der zweitägigen
Klausurtagung, zu der auch Prominenz aus EU und Nato geladen war?
Schöne Bilder auf der Freitreppe des Schlosses, klar. Die waren nach
den verbalen Scharmützeln der ersten vier Wochen offenbar auch
gewollt. Denn statt kraftvoll zu regieren, stritt man darüber, dass
der Islam nicht zu Deutschland gehöre oder dass Hartz-IV-Bezieher gar
nicht arm seien. Die SPD wiederum vollführte einen Eiertanz, ob Hartz
IV beibehalten, abgeschafft oder durch ein solidarisches
Grundeinkommen ersetzt werden solle. Wohin die Reise gehen soll,
erfuhr man dabei nicht. Und das Volk - ohnehin schon gefrustet, weil
man über ein halbes Jahr bis zu einer neuen Regierung gebraucht hatte
- reagierte zumeist genervt. Die Befürchtungen, dass die GroKo sich
selbst lähmen würde, statt die Probleme des Landes wirklich
anzupacken, schienen sich zu bestätigen. Horst Seehofer hat mit
seinen provokanten Sprüchen eher die Landtagswahl im Freistaat im
Oktober im Auge. Und der konservative CDU-Jungstar Spahn läutet schon
mal den Kampf um die Nachfolge Merkels ein. Da bleibt für die
eigentliche Sacharbeit nicht viel Zeit. Merkel tadelte die verbalen
Ausflüge ihrer Minister jedoch nur äußerst milde. Jeder habe genug
Arbeit, da bleibe nicht viel Zeit für anderes. Kein Machtwort, nur
ein Machtwörtchen - so kennt man es von ihr. Das Signal aus Meseberg
sollte aber lauten: Nach dem holprigen Start wird nun in den
Arbeitsmodus gewechselt. Das ist freilich das Mindeste, was man von
einer Bundesregierung verlangen kann. Schöne Bilder für die
Tagesschau und wohlfeile Absichtserklärungen allein reichen nicht.
Und eigentlich hätte man in Meseberg bereits damit anfangen können.
Doch weder gab es eine klare deutsche Position zum drohenden
Militäreinsatz des Westens in Syrien, noch zog man Pflöcke ein, wie
das Dauerstreitthema Familiennachzug gelöst werden soll. Auch wie es
mit den Zukunftsfragen Digitalisierung, Rente, Bildung und Pflege
weiter geht, wurde hinter vagen Formulierungen verborgen. Nicht
einmal zum Aufregerthema Dieselfahrzeuge wurde Klartext gesprochen.
Nur so viel: Man wolle Fahrverbote und blaue Plaketten vermeiden.
Nicht einmal der voreiligen Festlegung von Verkehrsminister Andreas
Scheuer wurde widersprochen. Er will die Besitzer älterer Dieselautos
im Regen stehenlassen und schließt technische Nachrüstungen für
weniger Stickoxid-Ausstoß kategorisch aus. Das darf aber nicht das
letzte Wort eines Ministers sein. Der ist schließlich nicht der
Autolobby, sondern dem Wohl der Bürger verpflichtet. "Teambuilding
gelungen", befand der neue Vizekanzler Olaf Scholz in Meseberg kurz
und trocken. Als Finanzminister versicherte er zumindest, dass mit
der Reform der Grundsteuer keine Steuererhöhung verbunden werde.
Weder Grundbesitzer, noch Mieter müssten mehr zahlen. Man muss ihn
beim Wort nehmen. Doch ob die neue Regierung wirklich zu einem Team
zusammengewachsen ist, wird sich erst in den nächsten Wochen und
Monaten zeigen. Am 2. Mai soll der Entwurf des Bundeshaushalts
vorliegen. Es ist der für das laufende Jahr wohlgemerkt. Es stehen
Dutzende Gesetzgebungsverfahren sowie mehrere Grundgesetzänderungen
an. Anders gesagt, die Politik muss endlich zu Potte kommen.
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