WDR-Recherche: NRW-Umweltministerin täuschte offenbar Landtag // Irreführende Angaben zur Stabsstelle Umweltkriminalität - Zusammenhang mit Tierschutz-Vorwürfen auf dem Hof Schulze Föcking?
Geschrieben am 18-04-2018 |
Köln (ots) -
Sperrfrist: 18.04.2018 06:00
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In der Debatte über die Auflösung der Stabsstelle
Umweltkriminalität gerät NRW-Umweltministerin Christina Schulze
Föcking (CDU) erneut unter Druck.
In einer Fragestunde hatten SPD und Grüne Mitte März Aufklärung
darüber verlangt, warum die schwarz-gelbe Koalition kurz nach ihrem
Amtsantritt die seit 14 Jahren bundesweit einzige Einrichtung dieser
Art aufgelöst hat. Doch die Abgeordneten des Düsseldorfer Landtages
wurden an jenem 21. März nicht aufgeklärt, sondern offenbar
getäuscht. Nach Recherchen des WDR-Hörfunks decken sich verschiedene
zentrale Äußerungen der Umweltministerin nicht mit dem Bild, das sich
aus dem umfangreichen Aktenmaterial der Stabsstelle ergibt. Der WDR
hatte erstmals Gelegenheit, Einsicht in einen Teil des Aktenbestandes
der Stabsstelle Umweltkriminalität zu nehmen.
Gefragt nach den Gründen für die Auflösung, wiederholte Schulze
Föcking im Landtag noch einmal die Darstellung ihres Hauses, die
Stabsstelle habe sich überwiegend mit Artenschutz und hier wiederum
mit Greifvögeln beschäftigt. Von den insgesamt 663 Stehordnern im
Aktenbestand der Stabsstelle befassen sich jedoch nur 73 mit dem
Schutz von Greifvögeln, also gut zehn Prozent. In den übrigen Akten
geht es überwiegend um illegale Abfallimporte, zum Teil schwere Fälle
von Boden- Wasser- oder Luftverschmutzung, Tier- und
Verbraucherschutz.
Konkret angesprochen auf den Fall des Dortmunder "Envio"-Skandals
hat die Umweltministerin in der Landtagsfragestunde eine Beteiligung
der Stabsstelle ausdrücklich verneint. Federführend sei die
Bezirksregierung Arnsberg gewesen, und - wörtlich - es habe "in der
gesamten Zeit keine Kontaktaufnahme zur und durch die Stabsstelle
Umweltkriminalität" gegeben.
Doch in den insgesamt 34 Ordnern der Stabsstelle zu diesem Fall
finden sich zahlreiche Mails, Aktenvermerke, Zuschriften und
Sitzungsprotokolle, die belegen, wie eng die Stabsstelle in den
Informationsfluss aller Beteiligten und in die Ermittlungen
einbezogen war, darunter auch die Anwesenheitsliste einer
"Projekt-Arbeitsgruppe ENVIO" vom 3. August 2010. Darin sind neben
den beiden Mitarbeitern der Stabsstelle auch Vertreter der
Bezirksregierung Arnsberg, des Landesamt für Umweltschutz (LANUV) und
der Stadt Dortmund aufgeführt.
Im Widerspruch zur Aktenlage stehen auch die Aussagen von Schulze
Föcking zu dem Umweltskandal in Köln, bei dem Tausende Liter Kerosin
aus einer Raffinerie der Firma Shell das Grundwasser verseucht
hatten. Die Staatsanwaltschaft wollte das Verfahren gegen Shell Ende
2012 eigentlich einstellen. Dagegen protestierte der damalige Leiter
der Stabsstelle mit einer 20-seitigen Expertise. Die Ermittlungen
wurden daraufhin fortgesetzt und endeten mit einer Geldbuße für Shell
in Höhe von 1,8 Millionen Euro.
Nach Darstellung der Umweltministerin hingegen sei die Stabsstelle
in den Fall überhaupt nicht involviert gewesen. Eine Beteiligung der
Stabsstelle, so Schulze Föcking am 21.3. in der Fragestunde des
Landtages, sei "weder vorgesehen, noch notwendig" gewesen. Es ist
nicht klar, ob die Ministerin seinerzeit im Landtag bewusst die
Unwahrheit gesagt hat oder nur schlecht informiert war. Fest steht
jedoch, dass die Abgeordneten über die Arbeit der Stabsstelle und die
Hintergründe ihrer Auflösung nicht korrekt informiert wurden.
In einer schriftlichen Stellungnahme verteidigt der Sprecher des
Umweltministeriums die Auflösung der Stabsstelle als
"Umorganisation". Zum Amtsantritt der Regierung habe der
Arbeitsschwerpunkt der Stabsstelle auf dem Greifvogelmonitoring
gelegen. Es sei das Anliegen der Ministerin, die Bekämpfung der
Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität zu stärken. Dazu würde das
Personal aufgestockt. Alle Aufgaben der ehemaligen Stabsstelle würden
beibehalten und um zusätzliche Akzente zur Bekämpfung der
Umweltkriminalität ergänzt.
Die Opposition im NRW-Landtag reagierte empört auf die Ergebnisse
der WDR-Recherchen. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion,
André Stinka, kann die Aussagen der Ministerin "nicht nachvollziehen,
weil sowohl nach Aktenlage als auch, wenn sie mit den ehemaligen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesprochen hätte, ihr ein anderes
Bild hätte vermittelt werden müssen." "Wenn die Ministerin das
Parlament wissentlich belogen hat, dann ist das ein gravierender
Vorfall", erklärt die Grünen-Fraktions-Chefin Monika Düker im WDR.
Sie erwarte, dass die Ministerin im Sinne der Transparenz alle Fakten
auf den Tisch legt - nicht zuletzt, um die Frage zu klären, warum sie
die Stabsstelle aufgelöst hat.
Auch hier könnte das Archiv der Stabsstelle Umweltkriminalität für
neuen Diskussionsstoff sorgen. Denn eine der letzten Akten, die dort
angelegt wurde, trägt den Titel "Schweinehaltung Betrieb Schulze
Föcking - Stern TV am 12.07.2017". Darin enthalten ist eine Mail vom
25. Juli 2017 vom Leiter der Stabsstelle an den Staatssekretär des
Umweltministeriums. Angehängt ist der Kommentar eines
Strafrechtexperten zur Einstellung der Ermittlungen gegen Christina
Schulze Föcking in Sachen Tierschutzverstöße auf dem Hof Schulze
Föcking in Steinfurt. Einen Monat nach dieser Mail wurde die
Stabsstelle aufgelöst.
Pressekontakt:
WDR Pressedesk
Tel. 0172 2530028
Original-Content von: WDR Westdeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell
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