Fünf Jahre NSU-Prozess: SZ-Gerichtsreporterin Annette Ramelsberger zieht Bilanz bei "Zapp"
Geschrieben am 16-05-2018 |
Hamburg (ots) - Über fünf Jahre hat Annette Ramelsberger für die
Süddeutsche Zeitung den NSU-Prozess begleitet. Im NDR Medienmagazin
"Zapp" zieht die Gerichtsreporterin nun eine erste Bilanz, und die
ist durchwachsen: "Der NSU ist nicht vorbei", so Ramelsberger. "Die
Kanzlerin hat gesagt, so etwas darf nicht mehr passieren, wir werden
alles tun, um das aufzudecken. Und nach fünf Jahren kann ich nur
sagen, ich glaube nicht, dass sowas nicht noch mal passieren kann."
Seit mittlerweile 426 Verhandlungstagen (Stand 16. Mai 2018) läuft
vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gegen die mutmaßliche
Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier weitere Unterstützer des
NSU-Trios, bestehend aus Zschäpe und den verstorbenen Uwe Böhnhardt
und Uwe Mundlos. Gemeinsam sollen sie für zehn Morde, zwei
Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verantwortlich sein. In
diesen Tagen halten die Verteidiger ihre Schlussplädoyers.
Annette Ramelsberger saß nahezu an jedem Prozesstag auf der
Pressetribüne. "Der Prozess ist eine Tiefenbohrung in die deutsche
Gesellschaft. Der Blick in den Abgrund. So klar und so eindeutig, wie
Sie ihn nirgendwo sonst kriegen. Sie sehen den möglichen Tätern ins
Gesicht. Sie sehen den Helfern ins Gesicht. Sie kriegen das alles
vollkommen unvermittelt. Das ist nicht nur juristisch interessant.
Sie kriegen ein Panoptikum der deutschen Nachwendezeit mit allen
Verwerfungen, mit allen Fehlern. Sie können so genau in die deutsche
Geschichte gucken wie nirgendwo sonst."
Als Journalistin hatte sie sich bereits in den 90er-Jahren
intensiv mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigt. "Ich war
ständig in Hintergrundrunden, beim Verfassungsschutz, beim BND. Und
immer, wenn ich die Frage stellte 'Gibt es eine braune RAF?', dann
hieß es 'Nee, gibt es nicht. Die Rechten sind zu doof dazu, haben
keine Führungsfigur, und wenn die sowas planen würden, wüssten wir
es'. Und dann ist es doch genauso gewesen: Es gab eine braune RAF.
Und es hat keiner mitgekriegt."
Auch die Journalisten nicht. Die Erschütterung über dieses
Versäumnis ist wesentlicher Teil ihres Antriebs: "Nachdem wir erkannt
haben, was da Sache ist, wollen wir es jetzt endlich ernst nehmen.
Wir wollen den NSU und vor allen Dingen den NSU-Prozess ernst nehmen.
Auch die Opfer."
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Wiebke Ramm fertigt Annette
Ramelsberger von jedem Prozesstag ein detailliertes Wortprotokoll.
Einmal im Jahr werden die Protokolle in einer Sonderausgabe des
SZ-Magazins veröffentlicht. "Es gibt niemand, der diesen Prozess
aufnimmt. Da gibt es kein Tonband, das mitläuft. Es gibt kein Video,
das mitläuft. Und wir haben uns dann verpflichtet, wir machen dieses
Protokoll, weil es ein historischer Prozess ist und wir es nicht
nachvollziehen können, dass dieser Prozess nicht in jedem Detail
nachgezeichnet wird."
Auf zwei Jahre hatte sie sich ursprünglich eingestellt, jetzt sind
fünf daraus geworden. Eine enorme Belastung für alle Beteiligten.
"Der Prozess verändert einen stark. Er liegt wie ein Betondeckel auf
der Seele, und man weiß überhaupt nie, wann er endlich weggeht, weil
dieser Prozess ja immer weitergeht. Sie sind so vollkommen
fremdbestimmt. Wir kennen uns alle, wir wissen, dass wir da zusammen
in diesem Gerichtssaal sitzen und nicht voneinander loskommen. Bis
zum Ende. Das ist für einen Journalisten glaube ich noch schlimmer
als für jemand anderen. Weil man ja neue Themen liebt, wieder was
Neues anzufangen, und Sie können nicht."
Selbst in der eigenen Redaktion sei es nicht immer leicht, das
Thema NSU zu platzieren: "Ich bin der Quälgeist, der die Redaktion
immer wieder dran erinnert, heute ist ein wichtiger Tag, heute ist
ein wichtiger Zeuge, wir sollten heute eine große Zusammenfassung
schreiben, was in dieser Woche passiert ist", so Ramelsberger. "Und
alle anderen kommen natürlich und sagen: Wir haben eine
Regierungsbildung, wir haben eine geplatzte Koalition, wir haben
einen neuen Ministerpräsidenten, das ist alles neu, neu, neu. Im
NSU-Prozess ist nichts mehr neu. Wir wissen mittlerweile alles. Und
dann einer Redaktion vollkommen gegen das eigentliche journalistische
Selbstverständnis zu sagen, wir müssen über Dinge berichten, die wir
schon kennen. Das ist eigentlich wirklich schon contra professionem,
und trotzdem muss ich es tun."
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass einer der längsten und
aufwendigsten Prozesse der deutschen Geschichte diesen Sommer doch zu
Ende geht. Die Bundesanwaltschaft fordert für die Hauptangeklagte
Beate Zschäpe eine lebenslange Freiheitsstrafe und anschließende
Sicherungsverwahrung. Ihre Verteidiger fordern maximal zehn Jahre
Haft. Ralf Wohlleben, der wegen Beihilfe vor Gericht steht, soll zu
zwölf Jahren Gefängnis verurteilt werden, seine Verteidigung hält ihn
für unschuldig.
Annette Ramelsberger hofft auf ein klares Urteil, noch vor der
Sommerpause: "Ich wünsche mir, dass der Rechtsstaat klar macht, dass
der Rechtsstaat denen gewachsen ist, die ihn in Frage stellen wollen
und die so tun, als wenn sie das Recht in eigene Hände nehmen
könnten. Von diesem Prozess soll ein Zeichen ausgehen an alle
Menschen, die hier leben, dass sie sicher sind, und dass der Staat es
nicht zulässt, dass man sie einfach tötet."
"Zapp" im NDR Fernsehen immer mittwochs um 23.20 Uhr.
www.ndr.de/zapp
www.facebook.com/zappmm
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Iris Bents
presse@ndr.de
http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse
Original-Content von: NDR Norddeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
638253
weitere Artikel:
- UnternehmerChallenge 2018 / 3-tägige Transformation Ihres Business und Ihres Lebens (VIDEO) Frankfurt am Main (ots) -
Erleben Sie den vielleicht spirituellsten Business-und
Bewusstseins-Coach Deutschlands in der Jahrhunderthalle Frankfurt vom
01.06. - 03.06.2018. Das vielleicht härteste Unternehmer-Training
Deutschlands! Jeder Mensch hat ein einzigartiges Potential und einen
Traum mitgebracht ins Leben! Nur wenn wir dieses Potential und
unseren Traum verwirklichen, finden wir Erfüllung! Das ist wahrer
Erfolg! Herr Lambert lebt 3-4 Monate im Jahr auf Hawaii und verbindet
Business-Wissen mit Meditation und jahrtausendealtem mehr...
- "planet e." im ZDF über "Streit um neue Stromtrassen" (FOTO) Mainz (ots) -
Die künftigen Hochspannungstrassen Suedlink, Südostlink und
Korridor A gelten als "Hauptschlagadern" der Energiewende in
Deutschland: Als mächtige Erdkabel geplant, sollen sie ab 2025
"grünen" Windstrom aus dem Norden nach Süddeutschland leiten. Doch
die 40 Meter breiten Trassen durch die Natur sorgen für Widerstand.
Am Sonntag, 20. Mai 2018, 16.30 Uhr im ZDF, beleuchtet "planet e."
den "Streit um neue Stromtrassen".
Während Politik und Netzbetreiber für die Trassen werben, sprechen
Kritiker von einer "Trassenlüge" mehr...
- Prof. Dr. Alexander Markowetz über Digital Detox in "SHAPE": "Influencer legen heute Wert darauf, zweitweise unerreichbar zu sein" München (ots) - Kaum einer hält es länger als 18 Minuten aus,
nicht auf sein Handy zu schauen, so das Ergebnis einer Studie von
Medienwissenschaftler und Informatiker Prof. Dr. Alexander Markowetz.
In SHAPE (EVT 16.5.) erläutert der Autor ("Digitaler Burnout"), wie
sich Smartphones negativ auf Konzentration und Glücksempfinden
auswirken. Außerdem gibt SHAPE Tipps, wie man trotz Handykonsum
zufriedener wird.
Das Smartphone macht auf Dauer abhängig, unproduktiv und
unglücklich. Man braucht etwa 15 Minuten, um sich in eine Sache mehr...
- Drehstart für RTL-Crimedy "Die Klempnerin" in Köln: Polizeipsychologin mit spitzer Zunge und scharfem Verstand: Yasmina Djaballah ist "Die Klempnerin" Köln (ots) - In Köln haben die Dreharbeiten zur neuen zehnteiligen
RTL-Polizeiserie "Die Klempnerin" mit Yasmina Djaballah ("Hinter
Gittern - Der Frauenknast") als Polizeipsychologin Mina Bäumer und
Jan Kittmann als Hauptkommissar Thomas Waldeck begonnen. Mina Bäumer
arbeitet als Polizeipsychologin bei der Essener Polizei. Ihr
Grundsatz: Erst machen, dann reden! Mit Hauptkommissar Thomas Waldeck
löst sie dabei nicht nur Polizeifälle auf ihre unverwechselbare Art,
sondern geht die Probleme ihrer "Klienten" mit viel Empathie und
Pragmatismus mehr...
- Das Erste: "DonnerstagsKrimi im Ersten": Drehende für den ARD-Degeto-Zweiteiler "Mordkommission Istanbul - Thailand" (AT) mit Erol Sander und Oscar Ortega Sánchez in den Hauptrollen (FOTO) München (ots) -
Oscar Ortega Sánchez verabschiedet sich nach zehn Jahren aus dem
Ermittlerteam
Die Dreharbeiten sind beendet: Am 14. Mai 2018 fiel in Thailand
die letzte Klappe für den Zweiteiler "Mordkommission Istanbul -
Thailand" (AT). Kommissar Mehmet Özakin (Erol Sander) und sein
Assistent Mustafa Tombul (Oscar Ortega Sánchez) lösen ihren
schwierigsten Fall außerhalb der Türkei. Ihr Auftrag: Den
berüchtigten Drogenboss Worawit Luang (Solarsin Ngoenwichit) aus der
Türkei nach Thailand überstellen und gegen einen türkischen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Sonstiges
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
Sat1.de mit neuem Online-Spiele-Portal Sat1Spiele.de / SevenOne Intermedia baut Bereich Games weiter aus
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|