Mittelbayerische Zeitung: Risse im Gebälk / Die schwarz-rote Koalition muss sich nicht nur gegen Angriffe der Opposition wehren, sondern die eigenen Streitereien überwinden. Ansonsten wird das nichts.
Geschrieben am 16-05-2018 |
Regensburg (ots) - Man wolle das Vertrauen der Menschen durch
gutes Regieren zurückgewinnen, hatte sich die SPD vor dem heftig
umstrittenen Eintritt in die neue GroKo vor rund zehn Wochen selbst
vorgenommen. Bei Christdemokraten und Christsozialen hieß es ähnlich.
Schaut man auf die gestrige Generaldebatte im Bundestag, dann fällt
die Zwischenbilanz ziemlich mau und zwiespältig aus. Die kämpferisch
aufgelegte Kanzlerin verteidigte vehement den GroKo-Haushalt, der
nicht sonderlich ambitioniert ist, zugleich forderte sie von der SPD
Vertragstreue ein. Die Anker-Zentren für Flüchtlinge müssten ebenso
kommen wie mehr Geld für die Bundeswehr. Vor allem bei Letzterem
schießt die SPD heftig quer. Die Risse im GroKo-Gebälk sind nicht zu
übersehen. Es sollten zuerst die Streitereien untereinander
überwunden werden. Ansonsten wird das nichts mit neuem Vertrauen. Die
Attacken der vielstimmigen Opposition könnte man darüber fast
vergessen. Dabei sind politische Unterschiede, auch der Streit an
sich, gut für die Demokratie. Die Krux bei der jetzigen GroKo ist
freilich, dass unentwegt versucht wird, Festlegungen aus dem
Koalitionsvertrag jeweils im eigenen Sinne umzuinterpretieren,
umzudeuten und sogar umzubiegen, wie es grade passt. Die schwarz-rote
Polit-Ehe war gewiss keine Liebesheirat, doch über die Einhaltung des
Ehe-Vertrages sollte man sich schon einig sein. Dabei hat die jetzige
CDU/CSU-SPD-Regierung noch das Glück, dass die Staatseinnahmen
sprudeln. Viel schwieriger dürfte das Regieren werden, wenn die
Konjunktur einbricht oder die internationale Lage noch düsterer
werden sollte. Hoffnungsvoll stimmt zumindest, dass Merkel, Seehofer,
Nahles und Co. in den wichtigen internationalen Fragen weitgehend
übereinstimmen. Trumps Vabanquespiel mit dem Iran, das Drohen mit
Strafzöllen oder die - fast - Nötigung zu mehr Verteidigungsausgaben
verlangen einen kühlen Kopf und überlegtes, abgestimmtes Reagieren.
Washington fällt leider auf absehbare Zeit als Krisenmanager und
diplomatischer Partner der Europäer aus, obwohl man das immer wieder
versuchen und die Gesprächsfäden nach Washington keinesfalls kappen
sollte. Gerade weil der Chef im Weißen Haus so sprunghaft und
unberechenbar ist. Hoffentlich zertrampelt Trump mit seinem
diplomatischen Ungeschick nicht die zarte Hoffnung auf Entspannung
auf der koreanischen Halbinsel. Nordkoreas Machthaben Kim Jong-un
wird als Gegenleistung für die Einstellung seines Atomprogramms mehr
verlangen als nur einen Händedruck des US-Präsidenten. Notwendig ist
jetzt mehr denn je, dass Europa gegenhält, mit einer Stimme spricht,
dass man sich nicht von Trump, von Russland oder wem auch immer
auseinanderdividieren lässt. Die Stärkung der Handlungsfähigkeit der
EU, die Reform der Gemeinschaft ist ein trockenes Schlagwort. Doch es
muss nichtsdestrotrotz mit Leben erfüllt werden. Es geht nicht ohne
ein starkes Europa. Und wenn irgend möglich sollten die Briten bei
wichtigen Fragen mit ihren Noch-EU-Partnern an einem Strang ziehen.
Bei der Aufrechterhaltung des Atomabkommens mit dem Iran könnte das
gelingen. Ein stärkeres Europa, das Merkel und Co. wollen, ist auch
deshalb notwendig, weil die nationalen, sogar nationalistischen
Fliehkräfte in den EU-Ländern zunehmen. Demokratie, Menschenrechte,
Wohlstand sind auch in Europa keine Selbstverständlichkeit. Als
Fundament sind starke Volkswirtschaften, konkurrenzfähige Unternehmen
unabdingbar. Die Maßnahmen der Bundesregierung, die in ihrem Haushalt
vier Mal mehr für Rente ausgibt als für Bildung, reichen nicht aus,
um Deutschland wirklich fit für die Zukunft zu machen.
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