Schwäbische Zeitung: Zinsgewinne zurück nach Athen - Leitartikel zu Griechenland
Geschrieben am 21-06-2018 |
Ravensburg (ots) - Untergangsszenarien sind seit geraumer Zeit in
Mode. Dabei wird verkürzt und polemisiert, Ressentiments sind schnell
zur Hand. Die griechische Staatsschuldenkrise ist ein Paradebeispiel
dafür. Über die Griechen wurde gezetert, ihnen wurde Faulheit
unterstellt und der Eindruck erweckt, dass Deutschland wie immer der
Zahlmeister Europas sei. Boulevard-Zeitungen waren entzückt.
Doch acht Jahre sogenannter Griechenland-Rettung belegen das
Gegenteil. Obwohl der Bevölkerung große Mühen aufgebürdet wurden,
stabilisiert sich Griechenland nur auf einem bescheidenen Niveau -
hingegen hat die Bundesrepublik nicht etwa viel Geld verloren,
sondern mit Zinsgewinnen fast drei Milliarden Euro verdient. Es wäre
richtig, diese Gewinne Griechenland zurückzugeben. Das Land ist mit
Geduld und einem konstruktiven europäischen Willen aus der selbst
verschuldeten Schieflage befreit worden. Aber als Blaupause für
internationale Problemlösungen kann es nicht dienen. Zu heftig und zu
persönlich wurde der Streit zwischen Geldgebern und griechischer
Regierung geführt.
Viele Griechen müssen nach zahlreichen Reformen, die nichts
anderes als Kürzungs- und Strukturprogramme waren, mit sehr wenig
Geld durch den Alltag kommen. Die Renten sind massiv beschnitten
worden, die Arbeitslosigkeit ist weiter hoch. Wichtige Medikamente
für Kranke sind in diesem EU-Mitgliedsland oft nicht mehr
erschwinglich. Kurzum: In einigen Stadtteilen Athens herrschen
Dritte-Welt-Verhältnisse. Für die Menschen dort ist die Europäische
Union schon lange kein Heilsbringer mehr. Das sind die Gründe, warum
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen EU-Haushalt fordert.
Nicht um einfach Geld vom Norden in den Süden zur Finanzierung von
Schulden zu transferieren, sondern um die EU handlungsfähiger und
wirtschaftlich robuster zu machen. Frankreich lag bereits 2015
richtig, als Berlin den Euro-Ausschluss von Griechenland forderte und
Paris dies vehement ablehnte. Nach Griechenland braucht jetzt auch
die EU tief greifende Reformen.
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Schwäbische Zeitung
Redaktion
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