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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Regierungskrise

Geschrieben am 01-07-2018

Bielefeld (ots) - Deutschland scheint es schlecht zu gehen in
diesen Tagen. Anders lässt sich der aktuelle mediale Dauerblues
kaum deuten. »Es war einmal ein starkes Land«, schluchzt gerade der
»Spiegel«. Landauf, landab tönt der Jammer über die doch ach so
schlechte Stimmung im Lande. Dazu, na klar, passt das schmähliche Aus
der deutschen Fußball-Zwerge bei der Weltmeisterschaft.
Deutschland, eine Sommerdepression. Hallo, geht's noch? Man muss
nicht die Meisterprüfung im Handwerk des Schönfärbens abgelegt
haben, um Schwarz-Rot-Gold ordentlich leuchten zu lassen. Es gibt
ein spürbares Wirtschaftswachstum, was sich in vielen Branchen auch
auf dem Konto der Arbeitnehmer niederschlägt. Um unser
Gesundheitssystem beneiden uns viele Länder nicht nur in Europa. Die
jüngste Reform der Pflegeversicherung stärkt die Möglichkeit, den
Lebensabend immer länger selbstbestimmt zu gestalten. Mehr und mehr
junge Leute nutzen die Chance einer Hochschulausbildung. Nein, es
ist nun wirklich nicht alles schlecht in Deutschland. Beherzt also
könnte Deutschland jene Herausforderungen angehen, die es
tatsächlich gibt. Die Integration jener Flüchtlinge etwa, die auf
Dauer bei uns leben werden, auch wenn die AfD und andere
Poltergeister das nicht wahrhaben wollen. Oder die Gestaltung einer
immer digitaler werdenden Arbeitswelt, die große Umbrüche mit sich
bringen wird. Und nicht zuletzt fehlt eine wirklich ernsthafte
Befassung mit der Frage, ob der Wohlstandszuwachs auch bei jenen
ankommt, die sich als abgehängt oder vom Abstieg bedroht empfinden
und vielleicht deshalb so empfänglich sind für die Parolen der
Populisten. Eine Große Koalition sollte dazu eigentlich in der Lage
sein. Doch das Kabinett Merkel IV ist nach der quälend langen
Regierungsbildung niemals so richtig in den Tritt gekommen. Der
gestern dramatisch angeheizte Dauerstreit zwischen CSU-Chef Horst
Seehofer und CDU-Kanzlerin Angela Merkel löst bei den Regierten mehr
und mehr Fassungslosigkeit aus. Klar: Man kann die Frage, ob anderswo
in Europa registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze abgewiesen
werden sollen, ernsthaft diskutieren - innenpolitisch, außenpolitisch
und juristisch. Nur sollte man damit nicht eine ganze Regierung und
halb Europa in Geiselhaft nehmen. Das stärkt am Ende nur die
Profi-Populisten. Deutschland wird auch diese Regierungskrise
überstehen, ein mögliches Aus der Großen Koalition und ein Bruch des
Unionsbündnisses inklusive. Zu Neuwahlen müsste es nicht einmal
kommen - CDU und SPD könnten auch mit der FDP oder den bereits
verhandlungswilligen Grünen eine Regierung bilden. »Wir schaffen das«
- für die CSU hieße das: »Wir schaffen das auch ohne euch!«



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell


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