Mittelbayerische Zeitung: Masterplan nicht meisterlich / Seehofers gestern vorgestelltes Migrationspapier lässt den mühsam gefundenen Kompromiss zu Zurückweisungen außen vor. von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 10-07-2018 |
Regensburg (ots) - Horst Seehofer gibt den trotzigen Schulbuben,
der seinen Hausaufsatz wegen eines gravierenden Fehlers eigentlich
noch einmal schreiben sollte. Doch statt seine Hausaufgabe zu
erledigen, legte der Bundesinnenminister gestern - ungerührt von den
heftigen Querelen der vergangenen vier Wochen - seinen Aufsatz
"Masterplan Migration" in der alten Fassung vor. Es handele sich
nicht um einen Plan der Koalition, sondern um den Plan Seehofers. Er
argumentierte dabei mit verblüffender Logik. Es sei "widersinnig",
jüngste Vereinbarungen der Koalition in das Papier einzuarbeiten. So
viel Chuzpe muss man erst einmal haben. Das riecht nach
Arbeitsverweigerung des Bundesinnenministers. Seehofers lange geheim
gehaltener Asylplan ist zudem so gar nicht meisterlich. Er enthält
zwar viele, im einzelnen durchaus sinnvolle Maßnahmen, mit denen
Asylverfahren und vor allem Abschiebungen von abgelehnten Bewerbern
beschleunigt werden können. Allerdings hat sein Plan auch das Zeug
dazu, den seit einer Woche überwunden geglaubten Streit mit der
Unionsschwester CDU und dem Koalitionspartner SPD erneut aufflammen
zu lassen. Mit seiner nun wieder aufgewärmten Forderung nach
Transitzentren an der Grenze etwa hält er der SPD provokant ein rotes
Tuch vor die Nase. Im Koalitionsausschuss vergangenen Donnerstag, wo
man sich auf Transitverfahren verständigt hatte, war man schon mal
weiter. Seehofer beruhigt die Gemüter nicht etwa, sondern bereitet
vielmehr das Feld für neue, heftige Auseinandersetzungen um das
Kleingedruckte der künftigen Regelungen. Zudem ist vieles von dem,
was der CSU-Chef im Ministeramt nun ankündigt vage und wenig
untersetzt. Die Zurückweisungen von bereits anderswo registrierten
Asylbewerbern etwa - der Kern des wochenlangen erbitterten Streits
zwischen Merkel und Seehofer - hängt von Vereinbarungen mit anderen
Ländern, wie Österreich und vor allem Italien und Griechenland ab.
Wie Seehofer den beiden Hauptankunftsländern am Mittelmeer
schmackhaft machen will, dass sie Flüchtlinge wieder zurücknehmen
sollten, verrät er nicht. Oder spekuliert der ausgebuffte Taktiker
Seehofer gar darauf, dass diese Länder keinesfalls auf die Wünsche
aus Berlin eingehen werden? Dann könnte der Innenminister trotz
alledem zum nationalen Alleingang bei Zurückweisungen blasen - und
damit einen Dominoeffekt auslösen, denn Österreich und andere Staaten
könnten dann dem deutschen Beispiel folgen. Merkels "europäische
Lösung" hin oder her. Und den Schwüren des EU-Krisen-Gipfels zum
Trotz. Dass Seehofer nun mit seinem ganz und gar nicht mit anderen
Ressorts abgestimmten Migrationsplan an die Öffentlichkeit tritt, hat
offenbar auch damit zu tun, dass der CSU-Chef nach vielen
erfolgreichen Jahren als bayerischer Ministerpräsident mit der neuen
Rolle als Bundesminister fremdelt. Dass ihm die Kanzlerin, die er im
Grunde für ein politisches Leichtgewicht von seinen Gnaden hält,
derart in die Parade fuhr, stößt ihm wie eine Majestätsbeleidigung
auf. Seehofer sagt, an die Adresse seiner vielen Kritiker auch
innerhalb der Union gewandt, ihm gehe es immer nur um die Sache.
Stimmt, vor allem um die eigene Sache. Die Rolle des Teamspielers
liegt ihm ganz und gar nicht. Seehofer will der Anführer auf dem
Spielfeld sein. Dennoch - und vom Sonderfall Zurückweisungen
abgesehen - kann Seehofer mit seinem Masterplan dem großen Ziel, die
Migration besser steuern und ordnen zu können, näherkommen. Die
einen, etwa Grüne und Linke, mögen sich über die Verschärfung in der
Asylpolitik, über das Prinzip Sachleistung vor Geldleistung
echauffieren. Andere wiederum werden Seehofers Masterpaket für viel
zu lasch halten. Der Minister liegt genau dazwischen. In der
gefühlten Mitte.
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Mittelbayerische Zeitung
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