Verwaltungsgericht Stuttgart entspricht Vollstreckungsantrag der Deutschen Umwelthilfe und droht der Landesregierung Zwangsgeld wegen dreckiger Luft in Stuttgart an
Geschrieben am 27-07-2018 |
Stuttgart/Berlin (ots) - Das Land Baden-Württemberg verstößt gegen
das höchstrichterliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)
vom 27. Februar 2018 - In einer ersten Stufe des eingeleiteten
Vollstreckungsverfahrens wurde die Landesregierung unter
Zwangsgeldandrohung in Höhe von 10.000 Euro dazu verurteilt, Euro
5-Fahrverbote bis zum 31. August 2018 in den Luftreinhalteplan
aufzunehmen - DUH spricht von "schallender Ohrfeige" für
Ministerpräsident Kretschmann und die grün-schwarze Landesregierung
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat heute dem Antrag der
Deutschen Umwelthilfe (DUH) auf Zwangsvollstreckung in vollem Umfang
entsprochen und die Landesregierung dazu verurteilt, unter
gleichzeitiger Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro
bis zum 31. August 2018 Dieselfahrverbote für Euro 5 Diesel-Pkw und
Nutzfahrzeuge in den Luftreinhalteplan aufzunehmen.
In einer nichtöffentlichen Verhandlung am 28. Juni 2018 hatte das
Gericht das Land bereits aufgefordert, den angekündigten Planentwurf
entsprechend der höchstrichterlichen Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts Leipzig (BVerwG) vom 27. Februar 2018
erheblich zu verschärfen. Das in der vergangenen Woche bekannt
gewordene Maßnahmenpaket zur Luftreinhaltung in Stuttgart ist
unzureichend, enthält zu viele generelle Ausnahmen und leidet vor
allem unter einem Verzicht auf Fahrverbote für die Euro 5-Fahrzeuge
als schmutzigste Gruppe aller bislang in Deutschland zugelassenen
Diesel-Fahrzeuge.
"Unser heutiger Erfolg für die "Saubere Luft" in der schmutzigsten
Metropole Deutschlands ist gleichzeitig eine schallende Ohrfeige für
die grün-schwarze Landesregierung unter Führung von Ministerpräsident
Kretschmann. Nach dem laufenden Vollstreckungsverfahren gegen den
Freistaat Bayern müssen wir Recht und Gesetz auch in
Baden-Württemberg mit dem Instrument der gerichtlichen
Zwangsvollstreckung durchsetzen. Wir werden nicht akzeptieren, dass
die Landesregierung weiter einseitig die Politik betrügerischer
Dieselkonzerne betreibt und Krankheit und vorzeitigen Tod der Bürger
in Stuttgart und anderen hochbelasteten Städten Baden-Württembergs
billigend in Kauf nimmt. Die in der vergangenen Woche vorgestellten
Maßnahmen sind bei weitem nicht ausreichend, um die EU-weit geltenden
Grenzwerte für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid kurzfristig
einzuhalten", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Die DUH hatte im Frühjahr dieses Jahres den Antrag auf
Zwangsvollstreckung des Urteils vom 19. Juli 2017 zu
Diesel-Fahrverboten in der Landeshauptstadt (AZ:13 K 3813/18)
gestellt, weil die Landesregierung offensichtlich beabsichtigte,
keinen wirksamen Luftreinhalteplan vorlegen zu wollen. Diese Annahme
hat sich mit der Erklärung von Ministerpräsident Kretschmann in der
vergangenen Woche leider bestätigt.
"Die Verzögerungstaktik der Landesregierung ist ein Affront für
den Rechtsstaat. Derart reduzierte Fahrverbote genügen nicht, um dem
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu entsprechen. Sollte das Land
nicht bis zum 31. August handeln, werden wir sofort die Festsetzung
des Zwangsgeldes und die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes
beantragen. Ist auch dies nicht wirksam, kommen nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Zwangsmittel des
Zivilprozessrechts zur Anwendung. Sie sehen Zwangsgelder bis 25.000
Euro oder Zwangshaft gegen den für die Entscheidung zur
Nichtumsetzung des Urteils verantwortlichen Vertreter des Landes
Baden-Württemberg vor", so Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in
dem Verfahren vertritt.
Kritik äußerte die DUH auch an der einseitigen Parteinahme der
Landesregierung für die Dieselkonzerne und gegen die zehntausenden
unter dem Dieselabgasgift NO2 leidenden Menschen. Gespräche mit der
DUH als Verbraucheranwalt der Stuttgarter Bürger sind unerwünscht,
Terminanfragen bleiben unbeantwortet oder es wird mitgeteilt, dass
keine Zeit bzw. kein Interesse besteht. Dies ist umso
bemerkenswerter, als sich die Rechtsauffassung der DUH
höchstrichterlich bestätigt hat. Stattdessen findet eine intensive
Abstimmung der Position der Landesregierung mit den Autokonzernen
statt. Ein entsprechender Auskunftsantrag der DUH vom 29. Juni 2018
über alle stattgefundenen Gespräche und Email-/Schriftwechsel mit der
Industrie zu Dieselfahrverboten wurde heute am letzten Tag der
4-Wochenfrist dergestalt beschieden, dass vor einer Auskunft an die
DUH die Landesregierung prüfen müsse, ob "schutzwürdige Kontakte
Dritter" - wohl der Dieselkonzerne - betroffen sind. Für diesen Fall
müsse die Regierung prüfen, ob "in einem zweiten Schritt den
entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen durch Einwilligung der
Betroffenen abgeholfen werden kann".
Ugo Taddei, Jurist der europäischen Organisation ClientEarth,
sagt: "Es ist keine Überraschung, dass das Gericht erneut gezwungen
ist, einzugreifen, um das Recht der Menschen auf saubere Luft zu
schützen. Gerichtliche Anordnungen haben die Einführung umfassender
und effektiver Verkehrsbeschränkungen in Stuttgart gefordert. Dies
ist die letzte Chance der baden-württembergischen Behörden, ihrer
gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen oder eine Geldstrafe zu
zahlen. Halbherzige Lösungen, die die Gesundheit der Menschen nicht
wirksam schützen, werden nicht toleriert."
Hintergrund:
Das BVerwG hat am 27. Februar 2018 entschieden, dass zonen- und
streckenbezogene Diesel-Fahrverbote zulässig sind, um die
Luftschadstoffwerte für Stickstoffdioxid (NO2) einzuhalten. Ebenso
hat es festgestellt, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des
verwaltungsgerichtlichen Urteils in Stuttgart keine andere Maßnahme
zur Hand ist, mit der der Grenzwert ebenso schnell eingehalten werden
kann wie mit den zulässigen Fahrverboten.
Die DUH hatte am 17. November 2015 Klage beim Verwaltungsgericht
Stuttgart eingereicht. Am 19. Juli 2017 hat das VG Stuttgart der
Klage der DUH stattgegeben und den vorliegenden Entwurf des
Luftreinhalteplans für unwirksam erklärt. Weil dieses Urteil, obwohl
es nach der Entscheidung des BVerwG nunmehr rechtskräftig ist, immer
noch nicht umgesetzt wurde, hatte die DUH am 26. März 2018 den Antrag
auf Zwangsvollstreckung gegen das Land Baden-Württemberg gestellt.
Mehr Informationen:
Pressemitteilung vom 11.7.2018: "Deutsche Umwelthilfe wird
Fahrverbote für Euro 5-Diesel durch Zwangsvollstreckung für Stuttgart
durchsetzen - Minimalkonsens zu Fahrverboten nicht ausreichend":
http://l.duh.de/65wr4
Hintergrundpapier "Klagen für Saubere Luft": http://l.duh.de/fsl
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt Kanzlei Geulen & Klinger, Berlin
0171 2435458, klinger@geulen.com
Ugo Taddei, Rechtsanwalt ClientEarth
0032 2 808 4323, utaddei@clientearth.org
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe
Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell
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