Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Aufstehen: Aufstehen und bewegen von Jana Wolf
Geschrieben am 06-08-2018 |
Regensburg (ots) - Die Arbeit einer Reihe deutscher Politiker war
in den zurückliegenden Wochen und Monaten eine ernüchternde
Angelegenheit. Man erlebte Machtbesessene, die an Posten klammern und
Veränderung blockieren. Verbissene, die parteiinterne Konflikte
hochpeitschen. Irrlichternde, die mit prügelharter Wortwahl sensible
Probleme anstacheln. Nervöse, die trotz mieser Umfragewerte absolute
Mehrheiten erzwingen wollen. Zu allem Überfluss die flirrende Hitze.
Man gewinnt nicht den Eindruck, hier seien Politiker am Werk, die
einen kühlen Kopf bewahren und frische Ideen vorantreiben. Es sieht
nach Stagnation statt nach Veränderung aus. Nach Stillstand statt
nach Aufbruch. In dieser Zeit kommt die neue Bewegung von Sarah
Wagenknecht und ihrem Mann Oskar Lafontaine mit dem programmatischen
Namen "Aufstehen" gerade recht. Man muss kein Linker sein, um aus
dieser "Sammlungsbewegung" neue Hoffnung zu schöpfen. Wagenknecht und
Konsorten wollen erreichen, "dass die Menschen sich keine Politik
mehr gefallen lassen, die sich gegen ihre Interessen richtet", wie
die Linke-Fraktionschefin im "Spiegel" sagt. Sammlungsbewegung
deswegen, weil sich das Format an alle richtet, die "sich eine
Erneuerung des Sozialstaats und eine friedliche Außenpolitik
wünschen", so Wagenknecht - Parteibuch hin oder her. Diese Bewegung
ist eine vielversprechende Neuerscheinung auf dem Polit-Parkett.
Nicht, weil sie von Linken stammt, sondern, weil sie Veränderung
darstellt. Natürlich ist die Idee einer Bewegung, die aus einer
Partei heraus gegründet wird, nicht neu. Frankreichs Präsident
Emmanuel Macron hat es mit seinem proeuropäischen "En Marche"
vorgemacht, im linken Lager Bernie Sanders in den USA oder Jeremy
Corbyn in Großbritannien. In Deutschland sind derartige Beispiele
bislang schwer zu finden oder, kaum entstanden, wieder versandet.
Aber auch hierzulande tut Bewegung im Parteienspektrum not.
"Aufstehen" lässt sich als Signal verstehen, es nicht Rechten zu
überlassen, sich als Kämpfer gegen das Establishment zu inszenieren.
Und noch einmal: Man muss kein Linker sein, um dieses Signal zu
begrüßen. Auf der Webseite der Bewegung www.aufstehen.de, die am 4.
August online ging, kommen einfache Menschen in emotionalen Videos zu
Wort. Landschaftsbauer Wilko wünscht sich bessere Bezahlung und
Zukunftsperspektiven im Handwerk. Die pensionierte Friseurin Margot
klagt über eine zu kleine Rente. Studentin Jenny sorgt sich um die
Vormacht großer Konzerne, die kleine Unternehmen vom Markt
verdrängen. Das Signal von "Aufstehen": Wir sorgen uns um deine
Sorgen. Man mag die Online-Aufmachung als PR-Coup abtun. Doch der
Ansatz einer Politik, die sich an Bürgerinteressen orientiert, die
zuhört und eine Plattform bietet, ist im Kern gut. Es macht Hoffnung
auf eine Politik, die nicht von Partei- und Machtinteressen zerrieben
wird. Politische Bewegungen dieser Art zeigen etwas Grundsätzliches
auf: dass Demokratie - auf Wählerseite - nicht mit einem Kreuzchen am
Wahltag abgetan ist; und dass es - auf Politikerseite - nicht damit
abgetan ist, sich des Wählers solange anzunehmen, bis der sein
Kreuzchen gemacht hat, um sich danach wieder eigenen Machtinteressen
zu widmen. Solche Bewegungen können aufzeigen, dass Demokratie ein
Prozess ist, der von Veränderung und Erneuerung lebt; dass es
Gestaltungsspielraum auch jenseits des institutionellen,
parteipolitischen Rahmens gibt. Auch darin macht die Bewegung
Hoffnung. Sarah Wagenknecht bleibt konkrete Inhalte noch schuldig.
Auch ihre bisherige Anhängerschaft, deren bekannteste Vertreter mit
der Grünen Antje Vollmer und dem SPD-Abgeordneten Marco Bülow nicht
sonderlich bekannt sind, lässt Luft nach oben. An den Inhalten, wie
am Potenzial zu mobilisieren, wird sich "Aufstehen" am Ende messen
lassen müssen - ganz zu Recht. Bis dahin darf man - mitten im heißen,
zermürbenden Polit-Sommer - auch mal sagen: Gute Idee gehabt!
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
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