Allg. Zeitung Mainz: Irrational / Kommentar von Frank Schmidt-Wyk zur Politik Erdogans
Geschrieben am 12-08-2018 |
Mainz (ots) - Wegen der hohen Inflation in der Türkei bevorzugen
viele Türken stabilere Währungen. Immer mehr Bürger heben Dollars ab
- obwohl ihr Präsident sie energisch auffordert, die im Sturzflug
befindliche einheimische Währung zu stützen. Man mag den Run auf die
Banken als Abstimmung mit den Füßen gegen Erdogan deuten, doch ihre
Relevanz ist gering. Im Unterschied jedenfalls zur Abstimmung an den
Wahlurnen am 24. Juni, als die Mehrheit der Türken die Macht Erdogans
zementierte. Obwohl schon damals klar war, dass die Hybris ihres
Präsidenten die Türkei nicht nur immer tiefer in die außenpolitische
Isolation, sondern auch in den wirtschaftlichen Abgrund treiben
würde. Die Krisenstrategie Erdogans entspricht dem bekannten
Verhaltensmuster in die Enge getriebener Autokraten. Er beschwört ein
altbewährtes außenpolitisches Feindbild, schwadroniert von einem
Wirtschaftskrieg des Westens gegen die Türkei und kokettiert mit
einem Nato-Austritt. Man darf bezweifeln, dass Erdogan angesichts der
engen wirtschaftlichen Verbindungen insbesondere zur EU zu einem
solch radikalen Schritt wirklich bereit wäre. Doch man darf
andererseits auch das irrationale Moment in der Politik dieses Mannes
nicht unterschätzen: Wie ein kühler Pragmatiker hat er sich bislang
jedenfalls nicht verhalten. Wiederannäherung an Europa, Überwindung
der Differenzen mit Russland - beide Optionen liegen in Ankara auf
dem Tisch. Anfang dieser Woche empfängt Erdogan den russischen
Außenminister Lawrow, im September reist er nach Berlin. Im Moment
scheint nicht mal Erdogan selbst zu wissen, welchen Kurs er
einschlagen wird.
Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Danielle Schwarz
Newsmanagerin
Telefon: 06131/485980
online@vrm.de
Original-Content von: Allgemeine Zeitung Mainz, übermittelt durch news aktuell
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