BERLINER MORGENPOST: Griechenlands Chance / Leitartikel von Michael Backfisch zu Griechenland
Geschrieben am 19-08-2018 |
Berlin (ots) - Kurzform: Ab heute muss Griechenland auf eigenen
Beinen stehen - ohne internationale Hilfspakete. Es ist eine Chance.
Dies erfordert Augenmaß und Disziplin. Die Regierung muss sich auf
einen stabilitätspolitischen Marathonlauf über viele Jahre einlassen.
Man kann es auf folgende Formel bringen: Griechenland braucht einen
ausgeglichenen Haushalt und gute Rahmenbedingungen für eine
wettbewerbsfähige Wirtschaft. Ein Schuldenschnitt, wie ihn einige
fordern, würde die Malaise Griechenlands nur kurzfristig beheben. Die
Gefahr, dass der alte Schlendrian zurückkehrt, wäre hoch.
Der vollständige Leitartikel: Europa hatte in den vergangenen
Jahren etliche Konflikte zu entschärfen. Doch kaum eine Krise war so
einschneidend wie das griechische Schulden-Drama. Erstmals stand ein
EU-Mitglied am Rand einer Staatspleite. Die politischen
Auseinandersetzungen über Rettung oder kontrollierten Ausstieg
(Grexit) aus der Gemeinschaft gerieten derart heftig, dass sogar
Nazi-Vergleiche aus der ideologischen Mottenkiste geholt wurden. Die
Bundes-regierung machte sich von Beginn an vehement für tiefgreifende
Reformen in Griechenland stark - und holte sich dort prompt den
Vorwurf des "Spar-Diktats" ein. Kanzlerin Angela Merkel wurde bei
Demonstrationen in Athen mit Hitler-Bärtchen abgebildet, flankiert
von Finanzminister Wolfgang Schäuble in Wehrmachtsuniform. Angesichts
der desaströsen Wirtschafts- und Finanzpolitik in Griechenland waren
die Forderungen, Tabula rasa zu machen, berechtigt. Der
Staatshaushalt stellte sich 2009 und 2010 als Fata-Morgana-Budget
dar. Die Zahlen waren durch die Bank frisiert - nichts stimmte. Die
öffentliche Hand beschaffte sich Geld auf Pump, solange es ging. Die
Steuererklärungen hatten den Charakter von Märchenstunden: Viele
erzählten den Beamten, was sie wollten. Der Staat hatte keinen
Überblick über seine Einnahmen. Während der weltweiten Finanzkrise
2008 und 2009 verfügte er über zu wenige Ressourcen, um
einzuschreiten. Die Banken drehten den Geldhahn zu, die öffentlichen
Kassen waren leer. Vor diesem Hintergrund mussten die Eurozone und
der Internationale Währungsfonds intervenieren, um Griechenland vor
dem Kollaps zu bewahren. Dass dabei drastische Reform-Vorgaben an
Athen gemacht wurden, liegt auf der Hand. Keine Regierung kann es
verantworten, dass die Steuergelder der eigenen Bürger in ein Fass
ohne Boden geworfen werden. Dennoch: Es ist ungerecht, dass die
griechische Politik der eigenen Bevölkerung jahrzehntelang Sand in
die Augen gestreut hat, nun aber viele Menschen mit kleinen und
mittleren Einkommen den Preis bezahlen müssen. Arbeitsplätze fielen
weg, die Löhne sanken drastisch, der Krankenversicherungsschutz wurde
ausgehöhlt. Die Reichen haben derweil ihr Geld am Fiskus vorbei ins
Ausland geschleust. Sie kauften Immobilien in Berlin und anderswo.
Reeder zahlen so gut wie keine Steuern. Die soziale Symmetrie wurde
nicht gewahrt. Der griechische Herkulesakt ist gleichwohl
unvermeidlich. Im Gegensatz zur Krise in Spanien oder Irland handelte
es sich in Griechenland nicht nur um eine Korrektur des Finanz- und
Bankwesens. Das Land braucht eine institutionelle Erneuerung an Haupt
und Gliedern. So muss die Steuerverwaltung endlich den Erfordernissen
des 21. Jahrhunderts angepasst und auch elektronisch kontrolliert
werden. Firmen brauchen Rechtssicherheit, zum Beispiel durch eine
lückenlose Erfassung aller Grundstücke. Ferner muss der Staat
Bestechung rigoros bekämpfen. Nur Betriebe, die Vertrauen in die
Gesetze und ihre Anwendung haben, investieren und schaffen Jobs. Ab
heute muss Griechenland auf eigenen Beinen stehen - ohne
internationale Hilfspakete. Es ist eine Chance. Dies erfordert
Augenmaß und Disziplin. Die Regierung muss sich auf einen
stabilitätspolitischen Marathonlauf über viele Jahre einlassen. Man
kann es auf folgende Formel bringen: Griechenland braucht einen
ausgeglichenen Haushalt und gute Rahmenbedingungen für eine
wettbewerbsfähige Wirtschaft. Ein Schuldenschnitt, wie ihn einige
fordern, würde die Malaise Griechenlands nur kurzfristig beheben. Die
Gefahr, dass der alte Schlendrian zurückkehrt, wäre hoch.
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Redaktion: Martin Hövel
Kontakt: WDR Presse und Information, wdrpressedesk@wdr.de, Tel. 0221
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