Mittelbayerische Zeitung: Raus aus der Tabuzone / Lehrer werden bedroht, Schüler gemobbt. Die Bilanz zur Kriminalität an Bayerns Schulen zeigt nur ein Stück der Realität. Von Marianne Sperb
Geschrieben am 31-08-2018 |
Regensburg (ots) - Tatort Schule: Lehrkräfte brauchen ein breites
Kreuz. Sie werden bedroht und verhöhnt - auch in Bayern.
Internet-Einträge wie "Die fette Sau!" oder ein Sexfilmchen, in dem
der Kopf der Lehrerin auf einen nackten Körper montiert ist, für
jeden lange sichtbar : Solche Demütigungen halten Unterrichtende nur
aus, wenn sie widerstandsfähig sind und Rückhalt bekommen. Tatort
Schule: Kinder und Jugendliche werden bloßgestellt, angegriffen,
verletzt, bis an den Rand der Zerrüttung getrieben - auch in Bayern.
Sie brauchen erst recht Schutz vor Gewalt. Speziell Cybermobbing
hinterlässt tiefe Narben in der Seele. Junge Menschen haben keine
Angst vor Schlägen in der Schule; vor psychischer Gewalt und Mobbing
schon, schildert Konstanze Frauendorfer, Bezirksschülersprecherin der
Oberpfalz. Die neue Bilanz für Bayern, die Vertreter von Polizei,
Schule, Justiz- und Kultusministerium in Regensburg vorstellten,
erzählt von einer anderen Realität. 1,4 Straftaten pro Schule und
Jahr und nur ein leichter Anstieg: Paradiesische Zustände, möchte man
meinen. Und der Bayerische Elternverband sieht in "Gewalt an Schulen"
kein Problemfeld. "Wir erhalten keine beunruhigenden Rückmeldungen",
sagt die stellvertretende Vorsitzende Henrike Paede. Manchmal hat man
den Eindruck, es existieren parallel verschiedene Welten. Man bringt
sie zusammen, wenn man sich die Grundlage der vorgestellten Statistik
anschaut: Erfasst ist die Kriminalitätsbelastung an Schulen, also die
krassen Fälle von Körperverletzung bis zum Drogendelikt, aber nicht
die vielfältigen Erscheinungsformen von Gewalt unterhalb dieser
Schwelle. Und die beruhigende Fallzahl von 1,4 im Durchschnitt
spiegelt natürlich keineswegs Zustände an einzelnen Häusern.
Regierungsvertreter haben außerdem kein Interesse, einzelne
Schularten oder gar Einrichtungen an den Pranger zu stellen.
Gleichzeitig muss man ins Kalkül ziehen, dass Schulleiter in der
Regel nicht erpicht darauf sind, ihr Haus öffentlich in Zusammenhang
mit Gewalt zu bringen, und Anzeigen scheuen. Und: Auch Eltern meiden
den Gang zur Polizei- weil sie ihr Kind nicht Gerede und Ermittlungen
aussetzen wollen, weil sie den Gruppenstatus von Sohn oder Tochter
nicht gefährden möchten. So arbeiten verschiedene Seiten aus
verschiedenen und durchaus nachvollziehbaren Gründen an einer
konstruierten Realität. Sechs Wochen vor der Landtagswahl kommt noch
ein weiteres Motiv hinzu. Die Botschaft "Bayerns Schulen sind
sicher", gepaart mit der Ankündigung von Präventionsmaßnahmen und der
Aussage "Wir tun viel dafür, dass die Lage friedlich bleibt", ist wie
dem Lehrbuch entnommen, Kapitel: Wie gewinne ich die Wählergunst? Wie
hole ich Stimmen für eine Partei, die Sicherheit zum Markenkern
zählt? Trotzdem: Der Runde Tisch in Regensburg bedeutet einen guten
und wichtigen Schritt. Wenn der Kampf gegen Gewalt an Schulen auf der
öffentlichen Agenda steht, wird es eine Kultur von Tabuisieren und
Totschweigen schwerer haben. Die 500 neuen Stellen für
Schulpsychologen und Schulsozialpädagogen, die das Kultusministerium
bis 2023 in Bayern schaffen will, dürften eine echte Hilfe
darstellen. Mit dem Fokus auf Cybermobbing, das Gerichte künftig als
neuen Qualifikationstatbestand mit einer Freiheitsstrafe von bis zu
zwei Jahren ahnden können sollen, reagiert das Justizministerium auf
eine besonders üble neue Form von Verletzung. Und das Schülergericht,
das nun auch in Regensburg installiert wird, klingt, nach allem, was
man weiß, nach einer effizienten Maßnahme, um mit Gewalt umzugehen.
Wie ernst es die Politik mit den Bekenntnissen meint, wird man sehen
- nach der Wahl.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
652113
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): Das Drama um den Hambacher Forst
Falsches Symbol
Lothar Schmalen, Düsseldorf Bielefeld (ots) - Der Schreiber dieser Zeilen war als junger
Reporter dabei, als in den Dörfern des rheinischen Braunkohlereviers
Menschen ihre Häuser aufgeben mussten und Kirchen "entweiht" wurden,
damit sie dann von den Abrissbaggern dem Erdboden gleichgemacht
werden konnten. Viele der damals Betroffenen sind heute befremdet
darüber, dass, als ihre Heimat zerstört wurde, niemand protestiert
hat, wohl aber jetzt, wenn Bäume des Hambacher Forsts gefällt werden
müssen - übrigens Bäume eines Waldes, der nie unter Naturschutz stand
wie mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Merkels Afrikareise Bielefeld (ots) - Mittwoch Senegal, Donnerstag Ghana, Freitag
Nigeria: Angela Merkels Afrikareise war eng getaktet. Kurz zuvor
hatte schon Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sieben
afrikanische Länder in sieben Tagen bereist. Es scheint so, als sei
die Bundesregierung endlich aufgewacht. Spät, hoffentlich nicht
zu spät rückt der lange vernachlässigte, fast vergessene Kontinent
Afrika wieder in den Blickpunkt. Die Gründe liegen auf der Hand.
Es geht natürlich um wirtschaftliche Interessen. Deutschland und
Europa mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Union Bielefeld (ots) - Von Ralph Brinkhaus heißt es, dass er kein
Netzwerker sei. Vielleicht hat er als Fachpolitiker für Steuern und
Finanzen einfach zu wenig Zeit, um in eigener Sache Strippen zu
ziehen. Dass er scheinbar ohne eigene Truppen und in jedem Fall ohne
Unterstützung seines Landesverbandes, dessen Vize er ist, in eine
Kampfabstimmung gehen will, macht eines ganz deutlich: Ihm geht es
nicht um sich, ihm geht es um die Sache. Und die Sache ist die: In
der Union herrscht eine fast so bleierne Stimmung wie in der letzten
Amtszeit mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den OWL-Aktiengesellschaften Bielefeld (ots) - Die Börse ist für viele Anleger in Zeiten von
Niedrigzinsen der einzige Hafen, wo sie ihr Geld wenigstens noch
ein bisschen gewinnbringend anlegen können. Für die Unternehmen
verbessert sie die Chancen, Wachstum zu finanzieren. Und macht was
Ostwestfalen-Lippe? Just kochen an der Börsenküche Gerüchte hoch,
dass der neue Mehrheitseigentümer von Westag & Getalit einen
Gewinnabführungsvertrag durchsetzen und möglicherweise sogar die
Aktien von der Börse nehmen lassen will. Gerade erst hat die
Bielefelder Dürkopp mehr...
- Badische Zeitung: Die EU und die Zeitumstellung: Juncker als Populist /
Kommentar von Dietmar Ostermann Freiburg (ots) - Wirklich demokratisch ist es allerdings nicht,
wenn Brüssel sich einem Votum unterwirft, das unverbindlich sein
sollte und an dem sich weniger als ein Prozent der EU-Bürger
beteiligt haben, meist Deutsche. In einer aktuell laufenden
EU-Umfrage kann man ankreuzen, ob es EU-weit eine garantierte
Mindestrente und gleichen Lohn für gleiche Arbeit geben sollte. Falls
Millionen Menschen dafür sind, sagt Juncker dann auch: Die Leute
wollen das, wir machen das? Was kommt danach? Wollen wir auch über
Grundrechte abstimmen? mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|