Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Maaßen/Koalition: Hypothek Maaßen von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 13-09-2018 |
Regensburg (ots) - Eigentlich war Hans-Georg Maaßen der große
Hoffnungsträger für das arg in die Kritik geratene Bundesamt für
Verfassungsschutz. Nach den im Fall der NSU-Morde bekanntgewordenen
Fehler des Geheimdienstes wurde der versierte Jurist und Spezialist
für Ausländerrecht zu dessen neuem Chef. Maaßen sollte das
ramponierte Ansehen der Verfassungsschützer aufpolieren, eine
moderne, effiziente Behörde aufbauen. Freilich wurde er die
Negativschlagzeilen nicht los. Der Fall des Lkw-Attentäters vom
Berliner Breitscheidplatz Anis Amri offenbarte erhebliche Mängel in
der Zusammenarbeit von Bundes- und Länderbehörden des
Verfassungsschutzes. V-Leute im Umfeld des Mörders versagten, es gab
Widersprüche über Widersprüche. Sie gipfelten in dem Vorwurf, dass
die Sicherheitsbehörden den Tod von unschuldigen Menschen hätten
verhindern können. Zuvor schon, im Fall des NSA-Enthüllers Edward
Snowden, war Maaßen damit aufgefallen, dass er die Internet-Blogger,
die Snowdens Dokumente verbreiteten, mit einer Strafanzeige überzog.
In der Flüchtlingskrise ab dem Sommer 2015 warnte Maaßen ständig vor
der Gefahr von Terroristen unter den Ankömmlingen. Aber das ist
freilich sein Job. Doch wer genau hinsah, konnte da schon den sich
auftuenden Riss zwischen Verfassungsschützer und Kanzlerin erkennen.
Der stets korrekt im Dreiteiler daher kommende Beamte wagte sich auf
das glatte Parkett der Politik vor. Der Schattenmann suchte immer
mehr das Licht der Öffentlichkeit und der Medien. Auf der anderen
Seite suchte er offenbar aber auch den Kontakt zur AfD. Er soll der
damaligen Parteichefin Frauke Petry intern geraten haben, sich vom
Rechtsaußen Björn Höcke zu trennen, um einer Beobachtung der Partei
durch seine Behörde zu entgehen. Vollends zu einer schweren Hypothek
für die Regierungschefin, den Bundesinnenminister und die gesamte
GroKo wurde Maaßen allerdings als er wenige Tage nach den Ereignissen
von Chemnitz via Bild-Zeitung eine völlig andere Deutung der Vorfälle
nach dem Mord an einem Deutsch-Kubaner gab. Während Maaßen vor
"gezielter Falschinformation" durch ein Video warnte, das aus nicht
seriöser, linkslastiger Quelle stamme, sprachen Angela Merkel und ihr
Sprecher von "Hetzjagden". Maaßen widersprach. Mit der jetzt
bekanntgewordenen Vorab-Unterrichtung der AfD über Fakten aus dem
Verfassungsschutzbericht könnte Maaßen den Bogen nun jedoch völlig
überspannt haben. Mögen die von ihm ausgeplauderten Zahlen, etwa über
islamistische Straftäter oder den Haushalt seiner Behörde, gar nicht
so geheim gewesen sein, so offenbart allein das Gespräch mit der AfD,
in der zumindest Teile mit der demokratischen Grundordnung auf
Kriegsfuß stehen, eine nicht zu tolerierende Nähe. Das war etwa so,
als wenn sich ein Staatsanwalt mit einem, dem ein Strafverfahren
droht, zum Kaffee träfe. Ein Unding. Doch Maaßen hin und Maaßen her,
im Kern geht es um das tiefe politische Zerwürfnis zwischen Merkel
und Seehofer. Maaßen ist nur eine Figur auf dem Schachbrett, auf dem
sich Kanzlerin und Innenminister seit Monaten duellieren. Dass der
Koalitionsgipfel gestern keine Entscheidung im Fall Maaßen zustande
brachte, sondern sich vertagte, zeigt nur, dass das Patt zwischen den
beiden Unions-Vorsitzenden weiterhin besteht. Einerseits hat Angela
Merkel nicht die Kraft, Seehofer in diesem brisanten Fall in die
Schranken zu weisen und Maaßens Versetzung in den Ruhestand
durchzudrücken. Andererseits tut sich aber auch Horst Seehofer keinen
Gefallen, wenn er am angeschlagenen Verfassungsschützer festhält.
Sollte es am 14. Oktober für die CSU in Bayern nicht gut ausgehen,
wird man Seehofer zum Sündenbock machen und ihm auch den Fall Maaßen
ankreiden.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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