BERLINER MORGENPOST: Mehr Mut! Mehr Ideen! / Leitartikel von Jörg Quoos zu den Volksparteien
Geschrieben am 21-10-2018 |
Berlin (ots) - Kurzform: Den Volksparteien sind immer dann große
Wahlsiege gelungen, wenn sie charismatische oder extrem erfolgreiche
Vorsitzende hatten. Wenn es an beidem fehlt - Charisma und Erfolg -
wird es schwierig, die Massen zu begeistern. Starke Volksparteien
sind nicht schlecht, sondern gut für eine stabile Demokratie. Aber
sie müssen sich neu erfinden. Viel Zeit bleibt ihnen dazu nicht mehr.
Der vollständige Leitartikel: Es gibt einen Niedergang der
Volksparteien, der in der Öffentlichkeit mit bemerkenswerter Häme
begleitet wird. "Wer braucht heute noch Volksparteien?", fragte eine
große Sonntagszeitung. Die Antwort wurde gleich mitgeliefert. "Aber
wer braucht eigentlich ein Sammelsurium von Klientelparteien?",
möchte man zurückfragen. Sind diese wirklich in der Lage, eine
bessere und stabilere Politik zu liefern? Es ist nicht zwingend
logisch, dass die Anhäufung von Einzelinteressen besser geeignet sein
soll, die Verhältnisse für die breite Masse zu verbessern oder gar
das auseinandertreibende Europa zusammenzuhalten. Ja, Union und SPD
erodieren - aber es gibt gleich mehrere Gründe dafür. Zum einen sind
die Parteien überraschend mutlos, ideenarm und zunehmend unfähig, für
ein breites Meinungsspektrum in den eigenen Reihen zu sorgen. In
einer großen Koalition potenziert sich dieser Effekt noch, daher
schreitet der Attraktivitätsverlust besonders zurzeit besonders
schnell voran. Zum anderen sind die Führungspersönlichkeiten von
ihrer Basis erkennbar entrückt. Den Volksparteien sind immer dann
große Wahlsiege gelungen, wenn sie charismatische oder extrem
erfolgreiche Vorsitzende hatten. Wenn es an beidem fehlt - Charisma
und Erfolg - wird es schwierig, die Massen zu begeistern. Erfolge
kann man Angela Merkel schwer absprechen, auch wenn ihre Bilanz durch
das problematische Laissez-faire in der Einwanderungspolitik getrübt
ist. Aber der Kanzlerin ist die Leidenschaft zum Diskurs
abhandengekommen. Selbst treueste Gefolgsleute Merkels räumen ein,
dass die Vorsitzende auf ihrem Weg in Richtung Mitte der Gesellschaft
die Ränder der Partei vernachlässigt hat. Das christliche
Arbeitnehmerlager wie den konservativen Teil der Partei. Ohne
anstrengende Querköpfe mag es für Angela Merkel zwar angenehmer zu
regieren sein. Aber der CDU fehlt die Spannung, die am Ende Kraft
erzeugt. Wenn Abgeordnete in der Unionsfraktion von unten an ihre
Tische klopfen, damit man ihren Beifall für Merkels Gegner nicht
sehen kann, läuft etwas falsch in der Partei. Die Kanzlerin erklärt
die schwierige Lage der Partei mit der anhaltenden Diskussion um die
Flüchtlingspolitik. Dabei wird anders ein Schuh daraus. Hätte Angela
Merkel früher auf ihre Top-Beamten und Kritiker gehört, wären das
Unwohlsein und die Unzufriedenheit der Menschen sicher weniger groß.
Bei den Sozialdemokraten ist die Lage noch dramatischer. Die Art und
Weise, wie Andrea Nahles innerparteiliche Kritiker behandelt, wird
kaum neue, veränderungswillige Leute in die Parteiführung locken. Der
Juso-Chef? Für den Vorstand eine Nervensäge, die schön auf Abstand
gehalten wird. Überhaupt sind profilierte Mahner kaltgestellt, haben
keine Lust mehr auf Klassenkeile oder sind in den Ruhestand versetzt
- Sigmar Gabriel lässt grüßen. Die Partei ist derzeit wie ein Schiff
mit Kurs auf gefährliche Klippen - und auf der Brücke halten sich
alle Augen und Ohren zu, in der Hoffnung, dass die Felsen den Weg
freimachen. Der Aufprall könnte aber schon am nächsten Sonntag bei
der Hessen-Wahl kommen. Laut Nahles findet ihre siebenjährige Tochter
übrigens Geisterbahnen schockierender als den Zustand der SPD. Nur
gut, dass die Kleine noch keine Meinungsumfragen lesen kann. Starke
Volksparteien sind nicht schlecht, sondern gut für eine stabile
Demokratie. Aber sie müssen sich neu erfinden. Viel Zeit bleibt ihnen
dazu nicht mehr.
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