Allg. Zeitung Mainz: Nicht kuscheln / Kommentar von Friedrich Roeingh zur Türkei
Geschrieben am 26-10-2018 |
Mainz (ots) - Die deutschen Touristen sind bereits da, wo die
Bundesregierung noch hin möchte: Bei der Normalisierung ihres
Verhältnisses zur Türkei. Nach dem massiven Einbruch des
Tourismus-Geschäfts sind die Club-Hotels an der türkischen
Mittelmeerküste wieder gerammelt voll. Die türkische Inflation macht
Super-Billig-Urlaub möglich. Da sind die Schrecken des
Konter-Putsches und der Menschenrechtsverletzungen schnell vergessen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier kann man zumindest zugute halten,
dass es ihm bei seinem Besuch in der Türkei eher nicht ums
Schnäppchen-Heischen geht. Es liegt vielmehr in ureigenem deutschen
Interesse, dass die türkische Wirtschaft nicht wegbricht und so das
Land weiter destabilisiert. Weil unsere Wirtschaften eng verflochten
sind. Weil sich die Wirtschaftskrise auf Millionen türkische
Mitbürger in Deutschland auswirkt. Weil mehr Türken als in der
Vergangenheit wieder ihr Glück in Almanya suchen könnten. Die neue
Strategie der wirtschaftlichen Normalisierung ändert freilich nichts
daran, dass sich die Bundesregierung in Ankara nicht nur für die fünf
Deutschen einsetzen muss, die als politische Gefangene in der Türkei
festsitzen. Sie muss auch wahrnehmbar für eine allgemeine
Verbesserung der Menschenrechte eintreten. Dass ein türkisches
Gericht ausgerechnet während Altmaiers Besuch den Gießener Patrick K.
zu mehr als sechs Jahren Haft verurteilt, ist nicht weniger als ein
Affront. Ein Affront, der zugleich zeigt, dass ein neuer
Interessenabgleich mit der Türkei nicht mit einem Kuschelkurs
verwechselt werden darf.
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