Bayerischer Verwaltungsgerichtshof wirft Staatsregierung gezielte Missachtung des Gerichts vor und legt EuGH Frage der Zulässigkeit einer Zwangshaft für Ministerpräsident Söder u.a. Amtsträger vor
Geschrieben am 21-11-2018 |
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http://ots.de/YdwzVY
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Berlin (ots) - Bayerische Staatsregierung weigert sich ein von der
Deutschen Umwelthilfe erstrittenes und bereits seit 2014
rechtskräftiges Urteil für "Saubere Luft" umzusetzen - Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof sieht den Fortbestand des Rechtsstaats in
Gefahr - Europäischer Gerichtshof klärt nun, ob Zwangshaft gegen
hochrangige Politiker anzuwenden ist - Beschluss ist einzigartig in
der deutschen Rechtsgeschichte - Kanzlerin Merkel und
Justizministerin Barley sind aufgefordert, mit den ihnen zur
Verfügung stehenden Mitteln, die Bayerische Staatsregierung zur
Anerkennung rechtskräftiger Urteile zu bewegen
Im Zwangsvollstreckungsverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH)
gegen die Bayerische Staatsregierung (AZ: 22 C 18.1718) hat der
Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) durch einen am 20.
November 2018 bekanntgegebenen Beschluss vom 9. November 2018
entschieden, die Frage der Zulässigkeit einer Zwangshaft gegenüber
den für den Luftreinhalteplan München verantwortlichen Amtsträgern
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Grund ist die Weigerung der Bayerischen Staatsregierung, das bereits
seit 2014 rechtskräftige Urteil für "Saubere Luft" in München
umzusetzen und Diesel-Fahrverbote in den Luftreinhalteplan
aufzunehmen.
Der BayVGH wirft der Staatsregierung und seinem
Ministerpräsidenten Markus Söder evidente Amtspflichtverletzungen,
eine gezielte Missachtung des Gerichts sowie die Bedrohung des
Fortbestands des Rechtsstaats vor. Diesen Vorwurf begründet das
Gericht ausführlich und zutreffend. Insbesondere verwirft das Gericht
das Argument des Freistaats, er habe nur bestehende
Rechtsschutzmöglichkeiten ausgenutzt. Dazu stellt der BayVGH fest,
dass sich der Freistaat der Erkenntnis verweigert, dass alle
Entscheidungen abschließend sind und seit langem keine Rechtsmittel
mehr bestehen (Beschluss, Rn. 63).
Der Verwaltungsgerichtshof, als das für diese Fragen
letztinstanzliche Gericht, stellt ebenfalls fest, dass man zu Fragen
der Notwendigkeit von Diesel-Fahrverboten zwar eine andere Meinung
haben könne, die Pflicht zur Einführung solcher Fahrverbote in
München hingegen feststehe (Beschluss, Rn. 67). Das Gericht widerlegt
überdies die Auffassung der Landesregierung, nach der die
Luftqualität in den letzten Jahren grundlegend besser geworden sei.
Dies ist vielmehr nicht festzustellen, so das Gericht, teilweise im
Gegenteil (Beschluss, Rn. 88). Die Haltung der Landesregierung zeige
ein für den Fortbestand des Rechtsstaats bedrohliches Rechts- und
Politikverständnis, bei dem man nicht erst in anderen Mitgliedstaaten
der EU suchen muss, um den Rechtsstaat in Gefahr zu sehen (Beschluss,
Rn. 120).
Nach der Rechtsauffassung des BayVGH ist im nationalen Recht nicht
mit abschließender Klarheit geregelt, ob in einer solchen Situation
auch zum Mittel der Zwangshaft gegriffen werden dürfe. Diese Klarheit
könnte sich aber dadurch ergeben, dass das Recht der Europäischen
Union dazu verpflichte, im Zweifel zur Anwendung dieses Mittels zu
greifen, wenn sich andernfalls das Unionsrecht nicht effektiv
durchsetzen ließe.
Wird die Zwangshaft vom EuGH als anwendbar bewertet, kündigt der
BayVGH in seinem Beschluss an, die Haft gegenüber dem
Ministerpräsidenten, dem Staatsminister für Umwelt und
Verbraucherschutz, dem Präsidenten der Regierung von Oberbayern, dem
Regierungsvizepräsidenten, dem Leiter der Abteilung der Regierung von
Oberbayern sowie allen Mitarbeitern in der Regierung von Oberbayern,
die für die Aufstellung des Plans verantwortlich sind, anzuordnen.
Abschließend würde darüber in der Haftanordnung nach Entscheidung des
EuGH entschieden.
Den Beschluss kommentiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der
DUH: "Wir erleben derzeit, wie sich Gerichte in Deutschland gegen die
Umwandlung unseres Staates in eine von Industriekonzernen gesteuerte
Bananenrepublik wehren und für den Fortbestand von Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit kämpfen. Dass das höchste bayerische
Verwaltungsgericht die Anordnung von Zwangshaft gegen den bayerischen
Ministerpräsidenten und seinen Umweltminister für notwendig hält und
den Europäischen Gerichtshof um Bestätigung dieser Rechtsauffassung
bittet, zeigt ein Staatsversagen. Die Weigerung der bayerischen
Regierung, ein von der DUH erstrittenes, rechtskräftiges Urteil für
die 'Saubere Luft' in München umzusetzen, ist ein Frontalangriff auf
die Demokratie. Zur Profitsteigerung der Dieselkonzerne gefährdet
Ministerpräsident Söder ebenso wie sein Vorgänger Horst Seehofer die
Gesundheit tausender Münchenerinnen und Münchner, die ein Recht auf
saubere Luft haben."
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt,
ergänzt: "Der Beschluss ist einzigartig in der deutschen
Rechtsgeschichte. Und er ist eine Blamage für Deutschland. Wenn
Deutschland in den aktuell gegen andere Mitgliedstaaten der
Europäischen Union geführten Rechtsstaatsverfahren noch eine
glaubwürdige Position einnehmen möchte, darf der Vorlagebeschluss des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht folgenlos bleiben. Im
Grunde sagt er doch, dass das nationale Recht nicht zur Vollstreckung
gerichtlicher Urteile taugt. Die Existenz einer solchen Rechtsordnung
ist aber Beitrittsvoraussetzung für die Europäische Union.
Bundeskanzlerin Merkel und Justizministerin Katarina Barley müssen
eine Klarstellung des Verwaltungsvollstreckungsrechts auf den Weg
bringen. Denn die ehrenhaften Zeiten, in denen sich Behörden quasi
von selbst an Gerichtsurteile hielten, sind offenbar vorbei."
Das Gericht regt gegenüber dem EuGH eine vorrangige Behandlung der
Sache an, eine Entscheidung darüber liegt bei dem Präsidenten des
EuGH. Folgt dieser der Anregung, ist mit einer Entscheidung innerhalb
von drei bis sechs Monaten zu rechnen, so die Einschätzung von
Rechtsanwalt Klinger.
Hintergrund:
Die DUH legte am 29. Februar 2012 Klage gegen den Freistaat wegen
Überschreitung des NO2-Grenzwertes ein. Mit Urteil des
Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 wurde der Freistaat
Bayern antragsmäßig verurteilt, das Urteil ist seit 2014
rechtskräftig. Mit der 6. Fortschreibung des Plans werden die
Grenzwerte für NO2 im Jahresmittel erst nach 2030 eingehalten werden
können. Da trotz anhaltender Luftverschmutzung keine kurzfristig
wirksamen Maßnahmen für eine schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung
ergriffen werden, hat die DUH das Zwangsvollstreckungsverfahren
eingeleitet. Nachdem bereits mehrere Zwangsgelder verhängt wurden,
ist die Zwangshaft die verwaltungsrechtlich nächste Konsequenz.
Links:
Beschluss BayVGH vom 9. November 2018: http://l.duh.de/p181121
Hintergrundpapier "Klagen für saubere Luft":
https://www.duh.de/abgasalarm/
Pressekontakt:
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
030 8847280, 0171 2435458, klinger@geulen.com
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe
Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell
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