BERLINER MORGENPOST: Der Rechtsstaat kostet Geld - Kommentar von Jens Anker über den Personalnotstand in Berlins Anklagebehörde
Geschrieben am 02-12-2018 |
Berlin (ots) - Die Anklagebehörden in Berlin ächzen unter der
Arbeitsbelastung. Mit dem Wachstum Berlins wächst auch der Aufwand in
den Strafverfolgungsbehörden. Wenn jeder Staatsanwalt rund 600
Verfahren pro Jahr betreuen muss, dann sollten die Alarmglocken
schrillen.
Denn wie ist eine angemessene Strafverfolgung angesichts der
Fließbandarbeit noch möglich, und wie gründlich können die
Staatsanwälte noch in die Verfahren eintauchen, um der Wahrheit auf
die Spur zu kommen? Auch das Gerechtigkeitsempfinden leidet, wenn ein
Urteil erst nach vielen Monaten erfolgt.
Strafe sollte möglichst unmittelbar nach der Tat erfolgen, um
Wirkung zu erzielen, lautet eine Grundregel in der Justiz. Eine
andere lautet: Der Rechtsstaat kostet Geld. Es hilft nichts, über
steigende Kosten in der Verwaltung zu klagen, denn was in der
Staatsanwaltschaft erledigt werden muss, muss auch erledigt werden.
Wenn das Gewaltmonopol beim Staat liegt, dann muss er es auch
ausüben. Eine ausreichend ausgestattete Justiz dient zudem dazu, bei
den Ermittlungen Augenhöhe zwischen den Beteiligten herzustellen.
Viel zu oft stehen überarbeitete Staatsanwälte hoch spezialisierten
und bestens ausgestatteten Anwälten gegenüber.
Wenn jetzt also neue Staatsanwälte eingestellt werden, ist das
eine gute Sache. Es stellt sich aber die Frage: Warum erst jetzt?
Berlin wächst seit Jahren und auch bei der Polizei wurde spät, aber
immerhin reagiert.
Schon längst hätte auf die sich anbahnende Entwicklung maßvoll
reagiert werden können, entsprechende Appelle aus der Justiz an die
Politik gibt es schon lange. Das hätte den erfreulichen Nebeneffekt
gehabt, dass sich Amts- und Staatsanwälte ernst genommen fühlen.
Diese Chance wurde vergeben.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de
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