Mittelbayerische Zeitung: Saga der Inkompetenz / Theresa Mays Brexit-Verhandlungen geraten zum Fiasko.
Geschrieben am 10-12-2018 |
Regensburg (ots) - Die Entscheidung der britischen Regierung, die
für den heutigen Dienstag angesetzte Abstimmung über den Brexit-Deal
von Premierministerin Theresa May zu vertagen, mag unerhört sein.
Aber kann sie überraschen? Sie ist eigentlich nur nur ein weiterer
Mosaikstein in einer Saga, die von Unentschlossenheit, Inkompetenz
und Feigheit vor dem Feind erzählt. Lange hat sich London nicht
entscheiden können, welche Art von Brexit angestrebt werden soll. Die
Verhandlungen mit Brüssel unter einem Brexit-Minister David Davis,
der stets so naiv wie unvorbereitet war, gerieten zum Fiasko. Und
immer wieder ging Premierministerin Theresa May einem Showdown mit
dem harten Brexit-Flügel innerhalb ihrer Partei aus dem Weg. Wie auch
jetzt. Man muss ihr zugestehen: Die Zahlen sprachen gegen sie. Dabei
hat Theresa May den letzten zwei Wochen eine nie dagewesene Werbetour
für ihren Brexit-Deal unternommen. Sie ist in alle vier Ecken des
Königreichs gefahren, hat ausführliche Fernseh- und
Zeitungsinterviews gegeben und Stunde um Stunde im Unterhaus Rede und
Antwort gestanden. Ihre schiere Hartnäckigkeit und ihr
Durchhaltevermögen haben ihr die Bewunderung der Briten eingetragen
und ihre Umfragewerte verbessert. Aber an der Unpopularität ihres
Brexit-Deals hat sich wenig verändert. Die Zahl der Mitglieder ihrer
eigenen Regierungsfraktion, die das Austrittspaket öffentlich
kritisiert haben, ist nicht weniger, sondern mehr geworden und steht
mittlerweile bei rund 110 Torys. Damit war die Schlappe programmiert.
Offen war nur, wie deutlich sie ausfallen würde. Hätte May mit mehr
als 100 Stimmen verlieren, so gingen die Spekulationen, hätte sie
zurücktreten müssen. Jetzt wird May versuchen, Nachbesserungen für
ihren Deal zu bekommen. Beim Austrittsvertrag ist das ausgeschlossen,
wie der irische Außenminister Simon Coveney am Montag klarstellte.
Aber bei der politischen Absichtserklärung wäre vielleicht noch etwas
zu machen, zum Thema nordirischer Backstop etwa. Vielleicht, so hofft
May, könnte ihr Brexit-Deal dann in einer zweiten Abstimmung doch
noch das Plazet des Unterhauses bekommen. Dabei hatte der Europäische
Gerichtshof in Luxemburg noch versucht, ihr goldene Brücken zu bauen.
Der EuGH urteilte am Montagmorgen, dass Großbritannien seine Absicht,
aus der Europäischen Union auszutreten, auch wieder einseitig
zurückziehen kann - selbst nach einer möglichen Verlängerung des
zweijährigen Austrittsverfahren nach Artikel 50 der EU-Verträge. Und
besser noch: Großbritannien bliebe EU-Mitglied mit all den
Privilegien - wie EU-Rabatt oder Nichtteilnahme bei Schengen oder bei
der Währungsunion - , die es jetzt schon hat. Es mag ein
verführerisches Angebot sein, aber die britische Regierung lehnte
dankend ab. Die Intervention des EuGH mag die Europafreunde im Land
entzückt haben, die auf ein zweites Referendum hoffen, in dem die
Austrittsentscheidung zurückgenommen werden könnte. Andererseits
könnte genau dieses Szenario Premierministerin Theresa May helfen,
ihren umstrittenen Brexit-Deal, wenn er denn demnächst zur Abstimmung
stehen sollte, doch noch durch das Unterhaus zu bekommen. Denn sie
kann argumentieren: Es ist entweder mein Deal oder gar kein Brexit.
So manche der Brexit-Hardliner, die den Austrittsvertrag und die
politische Erklärung zum künftigen Verhältnis deshalb ablehnen, weil
ihnen das Paket nicht rigoros genug ausfällt, mögen dann lieber den
Spatz in der Hand, vulgo: die weichere May-Option wählen. Doch es ist
völlig offen, ob die Brexit-Ultras für eine von der Vernunft
geleitete Lösung noch zu haben sind.
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