Armutsbericht 2018: Paritätischer korrigiert falsche Bilder der Armut und fordert neue Armutspolitik
Geschrieben am 13-12-2018 |
Berlin (ots) - Ein Drittel der erwachsenen Armen in Deutschland
ist erwerbstätig, jede*r vierte arme Erwachsene ist in Rente oder
Pension und nur ein Fünftel ist arbeitslos, so nur einer der vielen
brisanten Befunde des aktuellen Armutsberichts des Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes. Der Verband, für den die Paritätische
Forschungsstelle mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels (DIW)
gerechnet hat, legt mit dem Bericht eine aktuelle Bestandsaufnahme
der Armut in Deutschland vor. Ein Novum ist, dass der Bericht unter
anderem erstmals der Frage nachgeht, wer die rund 13,7 Millionen
Menschen, die in Deutschland in Armut leben, faktisch sind. Er räumt
dabei mit diversen Klischees und Vorurteilen auf. So trifft offenbar
auch die gängige Formel, Bildung allein schütze vor Armut, nicht zu:
Wie die Analyse des Paritätischen zeigt, weisen fast drei Viertel der
ab 25-jährigen Armen ein mittleres oder sogar hohes
Qualifikationsniveau auf.
"Es ist Zeit, dass populäre, aber falsche Bilder über Armut in
Deutschland korrigiert werden. Der Bericht zeigt, dass eine
Neujustierung des armutspolitischen Instrumentariums dringend nötig
ist", so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen
Gesamtverbands. Mit Blick auf den hohen Anteil Erwerbstätiger (33,2
%) und Rentnerinnen und Rentner (24,8 %) unter der Gesamtheit der
erwachsenen Armen sei es fatal, dass die Politik regelmäßig auf die
vergleichsweise unterdurchschnittlichen Armutsrisikoquoten dieser
Bevölkerungsgruppen verweise und das Problem der Altersarmut und der
Armut trotz Arbeit herunterzuspielen versuche. "Angesichts der
vorliegenden Daten gibt es keinerlei Entschuldigung mehr für ein
Nichtstun oder für Unzulänglichkeiten in der Bekämpfung von Armut im
Alter und bei Erwerbstätigen", so Schneider. Armut trotz Arbeit sei
dabei entgegen der weit verbreiteten Annahme keinesfalls
hauptsächlich ein Problem von Minijobs, so ein weiterer Befund.
"Minijobber machen nur etwas mehr als ein Viertel der erwerbstätigen
Armen aus. Die ganz überwiegende Mehrheit ist mehr als nur
geringfügig tätig und 41 Prozent sind sogar voll erwerbstätig. Armut
geht jedoch vergleichsweise oft mit befristeter Beschäftigung und
Zeit- bzw. Leiharbeit einher", erläutert Schneider.
Der Armutsbericht des Paritätischen enthält weiterhin auch Befunde
zur "klassischen Betrachtung" von Armut, die bestätigen, dass
insbesondere Arbeitslose, Alleinerziehende, Menschen mit geringem
Qualifikationsniveau und Menschen mit Migrationshintergrund
überdurchschnittlich oft von Armut betroffen sind. Dass hier auch
nach Jahren aller politischen Absichtsbekundungen zum Trotz keine
Verbesserung erkennbar ist, sei ein "politischer Skandal", so der
Verband. Insbesondere die Kinderarmut ist laut Paritätischem
Armutsbericht anhaltend und alarmierend hoch: Nicht nur jedes fünfte
Kind in Deutschland lebt in Armut, sondern auch jeder fünfte arme
Mensch in diesem Land ist ein Kind. Wie die Analysen der
Paritätischen Forschungsstelle zeigen, steigt bei Alleinerziehenden
dabei das Risiko der Einkommensarmut, desto jünger die Kinder sind:
Weit über die Hälfte (56%) der Alleinerziehenden mit zwei und mehr
Kindern unter 15 Jahren, leben in Armut.
Angesichts der Befunde fordert der Paritätische eine Neujustierung
der Armutspolitik, die künftig deutlich breiter verstanden und
ausgerichtet sein müsse. "Die Bekämpfung von Kinderarmut und
insbesondere der Armut unter Alleinerziehenden, Arbeitslosen und
Migranten ist mitnichten obsolet oder zweitrangig. Klar ist jedoch
auch: Die armutspolitische Agenda muss deutlich breiter werden. Armut
wird niemals in der Breite bekämpft werden können, ohne entsprechende
Reformen in der Alterssicherung, ohne eine anspruchsvolle
Arbeitsmarkt- und Mindestlohnpolitik und ohne einen
Familienlastenausgleich, der arbeitende Eltern zuverlässig vor Armut
schützt", fordert Schneider.
Für das kommende Frühjahr kündigt der Paritätische einen großen
Armutskongress an, der gemeinsam mit DGB, AWO und Nationale
Armutskonferenz ausgerichtet und von zahlreichen Organisationen
unterstützt wird.
Mehr Informationen unter: www.der-paritaetische.de/armutsbericht
Pressekontakt:
Gwendolyn Stilling,Tel.030/24636305,E-Mail:pr@paritaet.org
Original-Content von: Paritätischer Wohlfahrtsverband, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
667249
weitere Artikel:
- NOZ: Datenanalyse: Kinderkleidung transportiert Geschlechterstereotype Osnabrück (ots) - Datenanalyse: Kinderkleidung transportiert
Geschlechterstereotype
3000 Kinderoberteile aus drei Online-Shops untersucht - Bei
Mädchen dominiert Rosa, bei Jungen sind es Schwarz und Blau
Osnabrück. Bei Kinderbekleidung gibt es deutliche Unterschiede
zwischen Produkten für Mädchen und Jungen. Dies zeigt eine
Untersuchung der "Neuen Osnabrücker Zeitung", für die 3097 Oberteile
in den Größen 62 bis 182 aus den Online-Shops von Otto, C&A und H&M
analysiert wurden. Demnach ist Grau sowohl bei Jungen als mehr...
- Wegner: Nicht auf steigender Zahl neu genehmigter Wohnungen ausruhen Berlin (ots) - Bundesrat muss Weg für steuerliche Förderung des
Mietwohnungsbaus freimachen
Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der genehmigten
Wohnungen von Januar bis Oktober 2018 um 1,2 Prozent im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum gestiegen. Hierzu erklärt der baupolitische
Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Kai Wegner:
"Die Zahl der neu genehmigten Wohnungen zeigt in die richtige
Richtung. Aber darauf können wir uns nicht ausruhen. Die
Baugenehmigungen müssen in Zukunft weiter steigen, denn der Bedarf an
zusätzlichem mehr...
- Zwischen Selbstverfügung und Solidarität: Ethikrat debattierte Widerspruchsregelung bei der Organspende Berlin (ots) - Am 28.11.2018 fand im Deutschen Bundestag eine
Orientierungsdebatte darüber statt, ob zukünftig anstelle der
Entscheidungsregelung eine Widerspruchsregelung etabliert werden
soll, um die desolate Lage der Organspende zu verbessern. Sinkende
Spenderzahlen und lange Wartelisten lassen den Ruf nach grundsätzlich
anderen Verfahrensweisen laut werden. Doch welche ethischen
Herausforderungen ergeben sich aus den möglichen Neuregelungen für
Patientinnen und Patienten, Angehörige, medizinisches Personal und
zukünftige Spenderinnen mehr...
- Der Tagesspiegel: Bundesanwaltschaft leitet Verfahren gegen Straßburg-Attentäter ein Berlin (ots) - Die Bundesanwaltschaft hat sich in die Ermittlungen
gegen den Straßburg-Attentäter Chérif Chekatt eingeschaltet, der
möglicherweise nach Deutschland geflohen ist. Es sei am Mittwoch ein
Verfahren gegen Chekatt wegen Mordes, versuchten Mordes und
gefährlicher Körperverletzung eingeleitet worden, sagte die
Sprecherin der Behörde am Donnerstag dem Berliner "Tagesspiegel"
(Freitagausgabe).
Die Bundesanwaltschaft habe die Ermittlungen wegen der besonderen
Bedeutung des Falles aufgenommen. Ein weiterer Grund sei, dass mehr...
- Rheinische Post: Kirchen unterstützen Kompromiss zu Paragraf 219a Düsseldorf (ots) - Die Kirchen in Deutschland unterstützen den von
der Bundesregierung vorgelegten Kompromiss zum Werbeverbot für
Schwangerschaftsabbrüche. Die Evangelische Kirche halte es für
richtig, dass Frauen sich umfassend über Abtreibungen informieren
können, sagte der Bevollmächtigte des Rates der EKD, Martin Dutzmann,
der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Freitag). Das könne allerdings
auch durch eine entsprechende Ergänzung des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes erreicht werden, sagte er mit Blick
auf den Kompromiss, wonach mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|