Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Nur einen Tweet vom Ende entfernt" von Thomas Spang zu Trump
Geschrieben am 21-12-2018 |
Regensburg (ots) - Es gibt jeden Grund, nervös zu sein. Ein
einziger Tweet des Präsidenten reichte, die Machtkonstellation im
Mittleren Osten zu verändern. Mit dem nächsten Gezwitscher könnte er
den Rückzug aus der NATO bekannt geben. Wer das nicht glauben will,
sollte das Rücktrittsschreiben des Vier-Sterne-Generals an der Spitze
des Pentagon einmal genau lesen. Weil Mattis aus schmerzhafter
Erfahrung weiß, wie Trump tickt, hat er seine Mission aufgegeben, die
USA und deren Alliierten vor dem Schlimmsten zu bewahren. Der
Präsident hört mehr auf seinen falschen Freund in Moskau als auf den
Rat seines gesamten nationalen Sicherheitsapparats. Selbst wenn Trump
keine Marionette Putins ist, verhält er sich kaum anders. Seine
einsame Entscheidung, die USA aus Syrien ganz und aus Afghanistan
teilweise zurückzuziehen, stand ganz oben auf dem strategischen
Wunschzettel des Kreml. Dadurch degradiert der US-Präsident die
Supermacht zu einem Zuschauer im Mittleren Osten und am Hindukusch,
während Russland die Rolle des Spielmachers einnimmt. Mattis macht
sich spätestens seit einer geheimen Strategiesitzung im Lageraum des
Pentagon Mitte vergangenen Jahres keine Illusionen über die
Differenzen zu der Weltsicht des "Amerika-Zuerst"-Präsidenten. Als er
Trump zu erklären versuchte, was die Vorzüge der Nachkriegs-Ordnung
mit ihrem Netzwerk aus Bündnissen und internationalen Organisationen
seien, zuckte dieser bloß mit den Schultern. Genau dies wolle er
nicht. Donald Trump schwebt eine hochgerüstete Festung Amerika vor,
die sich in absolut jeder Beziehung vom Rest der Welt abschottet.
Beim Handel, bei der Zuwanderung und der Sicherheit. Isolationismus
statt Intervention. Außenpolitik als Nullsummen-Spiel. Mauer statt
Mexikaner und Muslims. Richtig ist in Trumps Augen, was die USA
reicher macht. Wer etwas von der Supermacht will, muss ihr etwas
geben. Der Paradigmenwechsel deutete sich mit dem Eklat beim
G-7-Treffen, dem Mobbing der Bündnispartner beim NATO-Treffen, der
Aufwertung von Diktatoren wie Kim Jong-Un und der Nonchalance
gegenüber dem mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes an dem saudischen
Regimekritiker Jamal Khashoggi bereits an. Ein ums andere Mal räumte
Mattis bei den Alliierten hinter Trump auf. An ihm hingen die
Hoffnungen, ein Bollwerk gegen die Zerstörung der liberalen
Weltordnung zu haben. Das sahen auch in den USA viele Außenpolitiker
so. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Bob Corker, zählte
Mattis einmal zu den Personen im Kabinett, die "das Land vor dem
Absturz ins Chaos bewahren". Mit ihm geht nun der letzte der
sogenannten "Erwachsenen". Als ersten hatte Trump seinen
Außenminister Rex Tillerson gefeuert. Dann musste der Nationale
Sicherheitsberater und NATO-Freund H.R. McMaster gehen. Erst kürzlich
drängte der Präsident seinen Stabschef im Weißen Haus John Kelly in
den Ruhestand. "Mad Dog" Mattis ließ es nicht dazu kommen, der
Nächste zu sein. Erhobenen Hauptes räumte er selber das Feld und
nutzte seinen Abgang für eine letzte, eindringliche Warnung. Dieser
Präsident meint, was er sagt. Er knickt vor Autokraten und Diktatoren
ein, statt die Prinzipien der freien Welt hochzuhalten. Trump lässt
sich weder "einhegen" noch kontrollieren. Auf ihn ist kein Verlass.
Der Rest der westlichen Welt muss daraus schleunigst Konsequenzen
ziehen. Die Nachkriegsordnung, die sieben Jahrzehnte Freiheit und
Wohlstand brachte, ist vielleicht nur noch einen Tweet von ihrem Ende
entfernt.
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