Neue Westfälische (Bielefeld): Loveparade-Prozess
Schwer zu ertragen
Florian Pfitzner, Düsseldorf
Geschrieben am 17-01-2019 |
Bielefeld (ots) - Das Landgericht Duisburg scheint sich die Sache
leicht gemacht zu haben. Es schlug den Prozessbeteiligten in einem
sogenannten Rechtsgespräch vor, das Strafverfahren zur Loveparade
2010 vorzeitig aufzulösen - zu komplex, zu vielschichtig die
Ereignisse, zu schwer zu ergründen die Schuldfrage. Angesichts der
erhofften Aufhellung der Katastrophe mit 21 Toten ist das ein
schwerer Schlag für die Angehörigen. Aus Sicht der Verteidigung ist
eine Einstellung der einzig gangbare Weg. Sie argumentiert mit der
hohen Belastung ihrer Mandanten und schließt sich dem Gericht an:
Strafverfolgung dürfe kein Selbstzweck sein. Mittlerweile gibt es für
sie opportune Gründe, die ursprünglich angestrebten Freisprüche
aufzugeben. Belastung? Was mag das schon heißen für die Angehörigen
der Toten? Was sollen die schwer traumatisierten Menschen, die es
gerade so aus dem tödlichen Gedränge geschafft haben, mit dieser
Argumentation anfangen? Möglicherweise verbieten sich hier
Vergleiche. Die Angeklagten müssen seit geraumer Zeit mit größten
Schuldzuweisungen leben. Ob einzelne von ihnen nun eine geringe,
mittlere oder hohe Schuld tragen, lässt sich von außen schwer sagen.
Man kann jedenfalls die Hinterbliebenen verstehen, die jetzt in
Düsseldorf behaupten, ohne Schuld sei niemand auf der Gegenseite.
Einige können diese Wendung nur schwer ertragen. Auf der Anklagebank
sitzen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg, vier der
Veranstaltungsfirma Lopavent. Ihnen wird unter anderem fahrlässige
Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Wer nicht auf
der Anklagebank sitzt: Duisburgs Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland
und Chef-Veranstalter Rainer Schaller. Zur Aufklärung haben sie als
Zeugen wenig bis gar nichts beigetragen. "Keine Kenntnis, weiß nicht,
kann mich nicht erinnern." Zugunsten derjeniger, die vor ihm stehen,
berücksichtigt das Gericht nun ein Knäuel an Faktoren. So habe es zur
Tatzeit weder gesetzliche noch organisatorische Vorgaben für die
Konstruktion einer Großveranstaltung wie in Duisburg gegeben.
Entsprechend habe es sich um ein kollektives Versagen gehandelt. Der
Vorsitzende Richter sprach von der Einteilung der Polizeiketten auf
der Zugangsrampe zum Festivalgelände. Die Maßnahme verengte die Menge
zusätzlich. Zudem steuerte man einen Polizeiwagen blind hinein in den
"Menschenhaufen". Es ist größtmögliche Aufklärung gefragt,
sorgfältigste Aufarbeitung. Komplexität rechtfertigt kein Verzagen.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
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