Mittelbayerische Zeitung: Quadratur des Kreises / Seit Monaten berät eine Kommission über den Ausstieg aus der Braunkohle. Kurz vor dem Ziel müssen die schwersten Brocken beiseite geräumt werden. Von
Geschrieben am 25-01-2019 |
Regensburg (ots) - Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen
Arbeitskreis. Anders als bei ihrem ziemlich einsamen Atomausstieg,
unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima vor acht Jahren, hat
Kanzlerin Angela Merkel vor den Ausstieg aus der Braunkohle eine
Kommission gesetzt. Das bunt zusammengesetzte Gremium aus
Energiewirtschaft, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Bund und Ländern
soll zumindest den Pfad für den Weg aus der Kohleverstromung in
Deutschland vorzeichnen. Dieser Arbeitskreis ist allerdings weniger
der Unfähigkeit der Politik geschuldet, selbst den Kurs vorzugeben,
sondern hat vielmehr mit der richtigen Erkenntnis zu tun, dass solch
einschneidende Entscheidungen von einem möglichst breiten
gesellschaftlichen Konsens getragen werden müssen. Freilich kommt
einem das Wort Kohleausstieg flott über die Lippen. Die Konsequenzen,
wirtschaftliche, technische, soziale Veränderungen, die mit einem
solchen Vorhaben verbunden sind, sind jedoch gewaltig. Legt man die
Ziele zugrunde, die mit dem Abschied von der Kohleverstromung
verbunden werden, wird klar: das kommt in etwa der Quadratur des
Kreises gleich. Und die ist, mathematisch betrachtet, unmöglich. Es
soll dem Klimaschutz, der Versorgungssicherheit, sozialer Sicherheit
in den Braunkohlerevieren am Rhein sowie in Sachsen und Brandenburg
genauso Genüge getan werden wie der Bezahlbarkeit des Stroms in der
Zukunft. Die Crux ist, dass jede dieser Interessen zwar berechtigt
und auch in der Kommission vertreten ist, doch vollständige
Einmütigkeit herzustellen, wird nicht möglich sein. Es kann immer nur
um verkraftbare Kompromisse gehen, bei denen keine der Seiten völlig
ins Hintertreffen gerät. Es geht um weniger CO2-Ausstoß, aber
zugleich um bezahlbaren Strom zu jeder Tages- und Nachtzeit. Auch
wenn dereinst alle Kohlekraftwerke abgeschaltet sein werden, die
heute noch bis zur Hälfte - vor allem die wichtige Grundlast - des
Stroms liefern. Zugleich brauchen die Kohleregionen Alternativen für
die wegfallenden Jobs und Unternehmen. Sie brauchen Neuansiedlungen,
Umschulung und Fortbildung sowie Sozialpläne für ältere Kumpel, die
vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden müssen. Der Strukturumbau
im Oberpfälzer Braunkohlerevier zu Beginn der 80er Jahre oder der mit
vielen Milliarden bezahlte Abschied von der Steinkohle machen die
großen Herausforderungen deutlich, die jetzt anstehen. Aus derzeit
noch prosperierenden Energieregionen dürfen jedenfalls keine
abgehängten Gebiete werden, sondern sollten im Gegenteil Hotspots für
erneuerbare Energien, für Dienstleistungen und Digitalisierung
entstehen. Hier ist vorausschauende Industriepolitik gefragt, auch
wenn sich der Staat, Bund und Länder davor nach Möglichkeit drücken.
Allein mit den Kräften des Marktes sind solche gewaltigen
Veränderungen nicht zu bewerkstelligen. Es sei denn, man nimmt
Verwerfungen, grobe Fehlentwicklungen in Kauf. Aber wer will das
schon? Die Politik wäre gut beraten, wenn sie sich für einen
"atmenden Kohleausstieg" entscheiden würde. Sie sollte Zielkorridore
vorgeben und sich nicht zur Festlegung von symbolträchtigen Terminen
hinreißen lassen, etwa von Stichtagen für das Auslaufen des letzten
Tagebaus oder die Abschaltung des letzten Kraftwerkblocks. Solche am
grünen Tisch festgelegten Szenarien blamieren sich regelmäßig an der
harten Realität, an künftigen energietechnischen Entwicklungen, am
Zuwachs von erneubaren Energien, vor allem ihrer Speicherung, sowie
an höherer Energieeffizienz. All das ist ebenfalls enorm wichtig,
wird derzeit aber eher stiefmütterlich behandelt. Zugleich sind das
Zukunftsthemen, um die man sich in den Noch-Braunkohleregionen
kümmern könnte.
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Mittelbayerische Zeitung
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