Mittelbayerische Zeitung: Passt nicht auf einen Bierdeckel / Die Reform der Grundsteuer ist ein äußerst schwieriges Unterfangen. Seit Freitag zeichnet sich zumindest ein Kompromissmodell ab. Von Reinh
Geschrieben am 01-02-2019 |
Regensburg (ots) - Friedrich Merz, Fast-CDU-Vorsitzender und immer
noch die große, heimliche Hoffnung des Unions-Wirtschaftsflügels,
wollte einst die Einkommenssteuer dermaßen vereinfachen, dass die
Steuererklärung auf einen Bierdeckel passen würde. Aus dem flottem
Vorschlag von Merz wurde bekanntlich nichts. Und die Steuerbürokratie
ist seitdem eher größer geworden. Bislang galt dies jedoch nicht für
den Bereich der Grundsteuer, die die Städte und Gemeinden für rund 36
Millionen Häuser, Wohngebäude und Grundstücke kassieren. Diese Abgabe
wird unaufgeregt und unverändert von den Finanzämtern erhoben.
Allerdings - und das ist die Crux daran - rechnen die Ämter bis heute
auf der Grundlage von völlig veralteten Grundstückswerten: im Westen
aus dem Jahre 1964, damals regierte Wirtschaftswunder-Kanzler Ludwig
Erhard. Im Osten Deutschlands sogar aus dem Jahr 1935, der Zeit des
sogenannten Dritten Reiches. Mit solchen historischen Werten von anno
dazumal ist allerdings heute wirklich kein Staat mehr zu machen. Das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die uralten
Grundstückswerte als verfassungswidrig einstufte, war insofern nur
folgerichtig. Diese Steuer ist mit etwa 14 Milliarden Euro pro Jahr
zugleich die wichtigste Einnahmequelle für die Kommunen. Entsprechend
brisant und folgenreich ist die Reform der Grundsteuer, um die jetzt
in Berlin so heftig gerungen wird. Allerdings sitzen die
Hauptbetroffenen, eben Städte und Gemeinden, gar nicht mit am
Verhandlungstisch, sondern der Streit wird allein zwischen dem Bund
und den Ländern ausgefochten. Das Pfund, mit dem die Kommunen
allerdings wuchern können, nennt sich Hebesatz. Das bedeutet, jede
Kommune kann damit die tatsächliche Höhe der Grundsteuer selbst
bestimmen. Nun gab es am Freitag nach vielen politischen
Kraftmeiereien im Vorfeld der Verhandlungsrunde bei
Bundesfinanzminister Olaf Scholz erfreulicherweise eine vorsichtige
Annäherung an ein Kompromissmodell. Und das ist gut so, aber auch
notwendig. Denn so langsam wird die Zeit knapp. Karlsruhe hat
Bundestag und Länderkammer nur bis Ende dieses Jahres Zeit gegeben,
die Steuerreform in Gesetzesform zu gießen. Die reformierte
Grundsteuer soll zwar erst ab 2025 kassiert werden, doch bis dahin
müssen die Behörden die Angaben für Millionen Häuser, Wohngebäude und
Grundstücke neu bewerten. Eine Wahnsinnsarbeit, die geradezu nach
moderner, digitaler Unterstützung ruft. Tausende neuer Mitarbeiter
für die Finanzämter, nach denen jetzt von einigen gerufen wird, sind
jedenfalls nicht zu bekommen - und vielleicht auch gar nicht
notwendig. Für Bayerns Finanzminister Albert Füracker, der zusammen
mit Baden-Württemberg und Hamburg vehement für eine einfache
Neuberechnung nur nach der Fläche von Grundstücken und Gebäuden
getrommelt hatte, ist das jetzige Kompromissmodell zumindest eine
kleine Niederlage. Beim bayerischen Flächenmodell wäre es nämlich
egal gewesen, ob es sich um ein Grundstück in bester Münchner Lage
oder in einem kleinen Oberpfälzer Dorf handelt, egal ob darauf eine
Villa oder eine Hundehütte steht. Allerdings hat auch Scholz sein
ursprünglich favorisiertes Modell nicht durchbekommen. Der SPD-Mann
wollte eine wertabhängige Neuberechnung mit allein fünf Komponenten
durchsetzen. Das wäre aber ein riesiges bürokratisches Monster
geworden. Schwierig wäre es ebenfalls geworden, die Umlage der
Grundsteuer auf die Mieten völlig zu verhindern. Nun bekommt Scholz
offenbar ein Steuermodell, dem einige bürokratische Giftzähne gezogen
werden. Für Mieter und Eigentümer in gefragten Gegenden dürfte es
etwas teurer werden. Keine Seite darf jedoch über Gebühr belastet
werden. Ob dieses Versprechen der großen Politik eingehalten wird,
haben auch die Kommunen in der Hand.
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