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Hans-Werner Sinn: "Für Deutschland wäre der Brexit ein Unglück. Wir sollten alles tun, um die Briten doch noch drin zu halten!" (AUDIO)

Geschrieben am 07-02-2019

München (ots) -

Der Ökonom und frühere Ifo-Präsident warnte beim "Forum
Automobillogistik" von VDA und BVL in München ausdrücklich vor einem
harten Brexit MANUSKRIPT MIT O-TÖNEN

Anmoderation:

Europa mitten im Brexit-Chaos, die unberechenbare Handels- und
Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump, der Handelsstreit der USA
mit China - die Weltwirtschaft hat schon ruhigere Zeiten erlebt. Aber
wie genau werden sich diese Unsicherheiten auf die internationalen
Märkte auswirken? Was kommt auf Deutschland als große Exportnation
zu? Und welche Auswirkungen hat das alles auf Deutschlands
Schlüsselindustrie, die Automobilindustrie? Darüber referierte
gestern (06.02.19) der Ökonom Hans-Werner Sinn in München. Der
frühere Ifo-Präsident war als Gastredner auf dem, vom Verband der
Automobilindustrie (VDA) und der Bundesvereinigung Logistik (BVL)
organisierten, "Forum Automobillogistik" geladen. Insbesondere der
Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU bereiten dem Ökonomen
große Sorgen:

O-Ton Hans-Werner Sinn

Der Brexit ist ganz fürchterlich. Nicht nur für die Briten, die
da, glaube ich, einen großen Fehler gemacht haben, sondern auch für
die Europäer, weil die Nachkriegsordnung zerstört wird. Wenn die
Briten draußen sind, kriegen wir ein ganz anderes politisches Regime,
wo das politische Gleichgewicht in Richtung Protektionismus kippt.
Dann kann man sagen: 'Das ist ja schön, wir schützen uns gegen
ausländische Konkurrenz'. Aber dann machen die Ausländer das auch und
dann bricht der Handel sukzessive zusammen. Wir reden hier nicht über
drei, vier Jahre, sondern über dreißig, vierzig Jahre. Wir müssen
also das nächste halbe Jahrhundert im Hinblick haben auf das, was das
politisch bedeutet, wenn die Briten draußen sind, im Blick haben.
(0:37)

Für die deutsche Automobilindustrie könnte der Brexit gravierende
Folgen mit sich bringen. Nach dem sehr erfolgreichen Jahr 2018, mit
weltweit 16,5 Millionen produzierten Pkw der deutschen Hersteller,
könnte nach aktuellem Stand 2019 sogar die 17-Millionen-Marke
geknackt werden. Doch dazu müssen sämtliche Rahmenbedingungen
stimmen. Ein ungeordneter Brexit, so Hans-Werner Sinn, kann das
Gefüge aus dem Ruder laufen lassen. In erster Linie dürfte aber
Großbritannien selbst unter den Folgen eines No-Deals leiden: So
rechnet die Bank von England mit einem Wertverlust des britischen
Pfundes von 25 Prozent bei einem Brexit ohne Abkommen. Und auch die
britische Exportwirtschaft würde nach aktuellen Einschätzungen im
ersten Jahr Ausfuhren im Wert von 30 Milliarden Pfund verlieren. Die
Briten haben sich mit ihrer Entscheidung gegen Europa also ein
klassisches Eigentor geschossen, davon ist Hans-Werner Sinn
überzeugt:

O-Ton Hans-Werner Sinn

Die Briten haben sich in eine Zwickmühle hinein manövriert, aus
der sie gar nicht herauskommen, außer sie blasen die ganze Sache ab.
Sie haben einen Gedankenfehler gemacht, weil sie das
Nordirland-Problem unterschätzt haben. Es gibt keine Lösung. Die EU
war für die Briten eine glorreiche Erfindung und das dämmert
zunehmend immer mehr Leuten. Ich glaube wir sollten uns flexibel
zeigen. Aber nicht in dem Sinne, wie Frau Merkel das sagt, indem wir
den Briten ein Angebot machen, dass sie leichter rausgehen und dieses
blöde Abkommen unterschreiben, sondern ganz im Gegenteil, indem sie
drin bleiben. (0:33)

Für die EU ist der Brexit schon deshalb eine Katastrophe, weil
Großbritannien mit einem Netto-Beitrag von 11,5 Milliarden hinter
Deutschland auf Platz Zwei liegt. Es handelt sich nicht um den
Austritt irgendeines EU-Landes, den man hinnehmen kann, um danach
wieder zur Tagesordnung überzugehen. Es geht vielmehr um die
zweitgrößte Volkswirtschaft der EU. Die Wirtschaftskraft des
Vereinigten Königreichs ist genauso groß wie die der 19 kleinsten
EU-Länder zusammengenommen. Es ist, als würden nun 19 von 28 Ländern
gleichzeitig austreten. Und gerade für Deutschland wäre der Brexit
verheerend, sagte Hans-Werner Sinn. Großbritannien ist Deutschlands
drittgrößter Exportmarkt - gerade vor diesem Hintergrund könne es
eigentlich nur ein Ziel für Angela Merkel gebe: Das Lager der
"Remainer" in Großbritannien unterstützen:

O-Ton Hans-Werner Sinn

Ich hoffe, dass die Vernunft obsiegt und es zum Schluss noch einen
Weg zum zweiten Referendum gibt. Dieser Weg würde mit einer
Verschiebung des Termins einhergehen. Nun will ich die Hoffnung nicht
mit der Prognose verwechseln, das tut man leicht, da muss man sich
vor schützen. Vielleicht wird es dann doch noch zum Brexit kommen.
Für Deutschland wäre das ein Unglück. Wir sollten alles tun, was wir
können, um die Briten doch noch drin zu halten, aus eigenem
Interesse, um die EU weltoffen zu halten und um unsere
Exportindustrien zu schützen. (0:36)

Abmoderation:

Der ehemalige Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Hans-Werner
Sinn, über die möglichen Folgen des Brexit. Das "Forum
Automobillogistik" fand in diesem Jahr bereits zum siebten Mal statt
und wird vom VDA und der Bundesvereinigung Logistik organisiert. Die
zweitägige Veranstaltung ist das größte europäische Branchentreffen
der Automobillogistik.



Pressekontakt:
VDA, Eckehart Rotter, 030 897842-120
VDA, Peter Mair, 030 89 78 42-125
all4radio, Hanne Brühl, 0711 32 777 590

Original-Content von: VDA Verband der Automobilindustrie e.V., übermittelt durch news aktuell


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