Börsen-Zeitung: Auf dem Präsentierteller / Kommentar zur Entwicklung bei Wirecard von Bernd Neubacher
Geschrieben am 18-02-2019 |
Frankfurt (ots) - Wirecard lässt die Rekorde purzeln: Ende
September erst stieg der Zahlungsabwickler als erstes Fintech in den
Dax 30 auf - keine fünf Monate später ist er der erste
Einzelwert, für den die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Leerverkaufsverbot verfügt.
In den Jahren 2008 und 2010 musste sich noch die Finanzkrise bzw. die
Staatsschuldenkrise ereignen, um mit Blick auf Finanzwerte und später
auch Staatsanleihen der Euro-Länder sowie entsprechende
Kreditausfallderivate ähnliche Eingriffe zu rechtfertigen. Gestern
reichten Aktivitäten von Shortsellern aus, damit Deutschlands und
auch Europas Marktaufsicht unisono "eine ernst zu nehmende Bedrohung
für das Marktvertrauen in Deutschland" diagnostizieren. Unterminieren
nicht eher die Aufseher das Vertrauen in den Markt und konkret in
Wirecard, wenn sie die Titel der Gesellschaft aus Aschheim als
einzige von einer gängigen Usance ausnehmen? Wäre dem öffentlichen
Interesse nicht eher gedient, wenn die Aufseher etwaige
Manipulationen im Handel mit Wirecard wie bei ähnlichen Attacken in
der Vergangenheit zügig zur Anzeige brächten und alles Weitere den
Strafverfolgungsbehörden überließen?
2008 und 2010 stand der Finanzsektor bzw. die Eurozone am Abgrund.
Im Fall Wirecard kann davon keine Rede sein. Allerdings bietet sich
der Dax-Neuling mit dem Unvermögen, sein Geschäftsmodell zu erklären,
und hoher Intransparenz Leerverkäufern auf den Präsentierteller an.
In keinem anderen der 30 Dax-Werte könnten daher die von der
"Financial Times" erhobenen Vorwürfe des Betrugs und der Geldwäsche
derartige Kurskapriolen nach sich ziehen. Auch dies lässt sich als
Signal des Marktes lesen. Demnach war das Marktvertrauen von
vornherein fragil, die Short-Attacken haben dies nur zutage gefördert
und das Misstrauen potenziert. "Wenn man sich dem Markt stellt,
entsteht ein wirklich starkes Unternehmen", sagte Wirecard-Chef
Markus Braun vor wenigen Wochen der Börsen-Zeitung. Nach dieser
Maxime sollte er auch handeln.
Die Fehde mit dem britischen Finanzblatt ist derweil so weit
fortgeschritten, dass eine der beiden Seiten das Gesicht verlieren
dürfte: die Zeitung, weil sie ihre Darstellung nicht
aufrechterhalten kann, oder das gegen das Blatt klagende Fintech,
weil die von ihm ausgemachten falschen Falschbehauptungen wahr sind.
Dann hätte sich der einzige verbliebene deutsche Börsenstar unter den
Finanzwerten ohne Not selbst entleibt, ohne dass die BaFin ihm würde
helfen können.
(Börsen-Zeitung, 19.02.2019)
Pressekontakt:
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Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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