Neue Westfälische (Bielefeld): Schülerstreiks
Es geht um die Existenz
Carsten Heil
Geschrieben am 01-03-2019 |
Bielefeld (ots) - Seit Jahren klagen Erwachsene, dass sich junge
Menschen doch endlich mal politisch und gesellschaftlich engagieren
sollten. Das tun die freilich seit Jahren schon. Das weist die lange
vom Bielefelder Wissenschaftler Klaus Hurrelmann betreute
Shell-Jugendstudie nach. Junge Menschen arbeiten gern und oft in
zeitlich begrenzten Projekten und sachbezogen, nicht grundsätzlich
bei politischen Parteien oder Großorganisationen. Das hat die
Öffentlichkeit nur oft nicht wahrgenommen. Seit einigen Wochen aber
gehen die Schüler und Studenten auf die Straße, um für ein sauberes
Klima und eine bessere Umweltpolitik zu demonstrieren. Dabei nehmen
sie sich die Freiheit, den Schulunterricht zu schwänzen. Und prompt
regen sich jene Erwachsenen auf, die sonst immer politisches
Engagement eingefordert haben. NRW-Schulministerin Gebauer fordert
nun Konsequenzen für Schüler, die wegen der Klima-Demos dem
Unterricht fernbleiben. Protest ja, aber nicht zu viel. Lehrer und
auch Rektoren bekunden ihren Schülern gegenüber, dass sie deren
Anliegen zwar unterstützen, aber leider bei Schulstreiks zu
Sanktionen greifen müssten. Das ist eine unbeschreiblich
rückwärtsgewandte, fantasielose, angepasste und unpolitische Haltung.
Die Jugendlichen demonstrieren für Existenzielles und gleichzeitig
gegen das Versagen der Elterngeneration. Diese bekommt es nicht hin,
Klimaschutzziele durchzusetzen und einzuhalten. Das zeigt die Debatte
um das von Umweltministerin Svenja Schulze vorgelegte
Klimaschutzgesetz. Deutschland ist nicht Umwelt-Vorbild. Es geht um
die Erde, auf der die heute jungen Menschen noch in 40 Jahren leben
wollen. Wenn sie dafür nicht auf die Straße gehen würden, dann wäre
Kritik an ihrer gleichgültigen Haltung angebracht. Und seien wir
ehrlich: Ohne den Streik würden die Schüler von der Gesellschaft gar
nicht wahrgenommen. Statt die Schülerinnen und Schüler zu maßregeln,
sollte das Umwelt-Thema besser im Unterricht behandelt werden.
Geschichte, Politik- und Gesellschaftskunde ist kaum besser zu
vermitteln als an diesem Beispiel, das die Schüler selbst betrifft.
Selten wird ihre Aufmerksamkeit größer sein. Meinungs- und
Demonstrationsfreiheit, die Macht freier Wahlen, der demokratische
Streit mit Argumenten und das Erreichen von Zielen könnte in
Projektwochen behandelt werden. Mit gemeinsamem Besuch der Demos von
Schülern und Lehrern. Völlig Fehl am Platz ist jedoch die Aufregung
über den Schulstreik.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de
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