Westfalen-Blatt: Verband der Krankenhausdirektoren: Krankenkassen entwickeln Rechnungsprüfung zum Milliardengeschäft
Geschrieben am 03-03-2019 |
Bielefeld (ots) - Krankenhäuser werfen den gesetzlichen
Krankenkassen vor, systematisch Rechnungen auch zu Unrecht
anzuzweifeln, um sich auf Kosten der Kliniken um Milliarden zu
entlasten. »Die gesetzlichen Krankenkassen haben das Infragestellen
unserer Rechnungen zum Geschäftsmodell entwickelt«, sagte Dr. Josef
Düllings, der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren
Deutschlands (VKD), dem WESTFALEN-BLATT.
Die Krankenkassen hätten erkannt, dass mit dem Anzweifeln von
Rechnungen ein Vermögen zu machen sei, sagt Düllings. »Vor Jahren gab
es Stichproben-Prüfungen. Heute werden in vielen Krankenhäusern mehr
als 20 Prozent der Rechnungen überprüft, und jede zweite geprüfte
Rechnung wird beanstandet." Josef Düllings sagt, er habe
ausgerechnet, dass der Einsatz der bundesweit 8500 MDK-Mitarbeiter
etwa eine Milliarde Euro im Jahr koste. »Sie holen aber etwa 2,2
Milliarden Euro rein. Das ist eine Traumrendite.«
Düllings: »Wer sein Auto aus der Werkstatt holt, überprüft die
Rechnung. Das ist normal. Deshalb haben Krankenhäuser eigentlich
auch kein Problem damit, wenn die Kassen unsere Rechnungen
kontrollieren.« Er gehe von ein bis zwei Prozent »echten Fehlern« in
den Rechnungen aus. Inzwischen sei es aber so, dass der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung (MDK) weniger nach objektiven Fehlern
suche, sondern immer häufiger Entscheidungen von Ärzten anzweifele.
Diesen Vorwurf erläutert Düllings am Beispiel einer
Gallenstein-Operation im Paderborner St. Vincenz-Krankenhaus, dessen
Hauptgeschäftsführer er ist. "Wir operieren Gallenstein-Patienten am
Aufnahmetag. Am Folgetag werden die Blutwerte kontrolliert und die
Patienten entlassen. Damit folgen wir den Leitlinien der Deutschen
Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Sie besagen, dass
die Blutwerte einen Tag nach der OP bestimmt werden sollen, weil sie
vorher durch die Narkose verfälscht sein können." Bei der
Überprüfung der Rechnungen stelle sich der MDK aber jedes Mal auf den
Standpunkt, dass man den Patienten schon am OP-Tag hätte entlassen
können. »Dann könnte uns die Kasse 810 Euro von der Fallpauschale
abziehen.« Der MDK zweifele zwar nicht die Richtlinie der
Fachgesellschaft an. »Aber er argumentiert, dass speziell im Fall
dieses einen Patienten die Voraussetzungen für den zweiten Tag nicht
vorgelegen hätten - und das wiederholt der MDK bei jeder
Gallenstein-Rechnung.«
Das Problem für die Krankenhäuser sei, dass die Kassen den Betrag,
von dem sie meinten, dass er ihnen zustehe, einfach von einer
anderen, x-beliebigen Rechnung des Krankenhauses abziehen dürften.
»Wir haben also Riesen-Löcher in unserem Budget und müssen dem Geld
hinterherlaufen«, sagt Düllings. Kleinere Kürzungen nehme man aus
ökonomischen Gründen hin. Gelegentlich schließe man auch Vergleiche
mit den Kassen und verzichte auf einen Teil, aber bei größeren Summen
bleibe oft nur der Prozess vor dem Sozialgericht.
»Natürlich gibt es auch Fälle, in denen die Krankenkassen formal
Recht haben«, sagt der VKD-Präsident. »Gerade in der Geriatrie kommt
es vor, dass Patienten länger als die obere Grenzverweildauer
bleiben. Das liegt daran, dass die Krankenhäuser einfach keinen
Pflegeplatz finden.« Bei alten Menschen mache man sich oft schon am
Aufnahmetag Gedanken über die Pflege nach der Entlassung, aber oft
finde sich auf die Schnelle nichts. »Wir können diese Menschen ja
nicht einfach zu Hause ihrem Schicksal überlassen.« Diese ein, zwei
Extratage im Krankenhaus seien zwar nicht medizinisch zu begründen,
sagt Düllings, aber die Pflege müsse ja sein. »Ob die Kasse sie bei
uns bezahlt oder im Pflegeheim, sollte ihr eigentlich egal sein. Da
hakt es im System.«
Der Verband der Ersatzkassen (VDEK) in NRW weist den Vorwurf
zurück, Krankenkassen zweifelten systematisch Rechnungen an, um sich
auf Kosten der Kliniken um Milliarden zu entlasten. Dirk Ruiss,
Leiter des VDEK NRW: »Im Gegensatz zu Krankenhäusern sind
Krankenkassen keine Wirtschaftsbetriebe, die Umsätze und schwarze
Zahlen erwirtschaften müssen.« Krankenkassen müssten mit dem Geld von
Versicherten und Arbeitgebern sorgfältig umgehen und dürften es nicht
verschwenden. »Deshalb sind wir gesetzlich verpflichtet, Rechnungen
von Krankenhäusern zu prüfen.«
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Christian Althoff
Telefon: 0521 585-261
c.althoff@westfalen-blatt.de
Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell
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