Mittelbayerische Zeitung: Kanzlerin ohne Dämmerung
Von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 13-03-2019 |
Regensburg (ots) - Der mit allen politischen Wassern gewaschene
Alexander Dobrindt zeigt trotzig in Richtung SPD. Die
Sozialdemokraten sollten gefälligst raus aus ihrer Sinnkrise und rein
in den Regierungsmodus kommen. Allerdings vertauscht der Chef der
CSU-Landesgruppe im Bundestag bei seiner wohlfeilen Aufforderung
Ursache und Wirkung. Es sind diesmal nicht die Nahles, Scholz und
Co., die ein Jahr nach Amtsantritt der jetzigen Regierung eine
Kanzlerinnen-Dämmerung heraufbeschwören, sondern die Szenarien für
einen Abgang von Angela Merkel kommen aus der Union selbst. Offiziell
will man von dem Thema zwar nichts wissen, doch hinter vorgehaltener
Hand und in internen Runden wird in Unionskreisen derzeit heftig
gestritten. Wäre es nicht besser, wenn die neue CDU-Vorsitzende
Annegret Kramp-Karrenbauer schon bald als Chefin ins Kanzleramt
einziehen würde, um mit dem Pfund des Regierungsamtes im Rücken 2021
- oder wann immer gewählt werden wird - als Unionsspitzenkandidatin
in den Wahlkampf zu ziehen? Ein solches Argument hat einiges für
sich. Helmut Kohl etwa konnte nach dem für ihn erfolgreichen
Misstrauensvotum Anfang der 80er Jahre die folgende Bundestagswahl
klar gewinnen. Der Kanzlerbonus zog. Warum sollte das knapp vierzig
Jahre später anders sein? Doch so einfach geht der Wechsel an der
Regierungsspitze nicht. Ein Problem ist etwa, dass Angela Merkel gar
nicht daran denkt, nach bislang 13 Regierungsjahren vorzeitig in
Rente zu gehen. Obwohl sie in diesem Jahr das 65 Lebensjahr erreicht.
Die Nur-noch-Kanzlerin scheint vielmehr, ihre neugewonnene politische
Unabhängigkeit - von der eigenen Partei und von der Union insgesamt -
in vollen Zügen zu genießen. Maxime ihres Regierens sind die
Festlegungen des schwarz-roten Koalitionsvertrages, weniger oder gar
nicht die Beschlüsse von CDU-Parteitagen. Die im Dezember nur knapp
zur Partei-Chefin gewählte Kramp-Karrenbauer macht gerade die bittere
Erkenntnis, dass sie eine Königin ohne wirkliche Macht ist. Sie
verfügt jedenfalls über keine brauchbaren Mittel, um Merkel von der
Regierungsspitze zu verdrängen. Sie hat zudem weder ein
Bundestagsmandat noch ein Regierungsamt. Merkel indes hat weiterhin
alle Fäden in der Hand. Und bemerkenswerterweise ist im Machtpoker
der Union die SPD die stärkste Verbündete der Bundeskanzlerin.
Solange die Sozialdemokraten Merkel die Gefolgschaft nicht
aufkündigen, wird sie Kanzlerin bleiben. Andererseits hat man in der
SPD auch keinerlei Interesse daran, mit AKK eine neue
Regierungschefin mitzuwählen, gegen die dann ein oder ein
SPD-Kanzlerkandidat antreten müsste. Selbst wenn Angela Merkel schon
bald von sich aus den Kanzlerinnenjob aufgeben sollte, würde das
nicht automatisch zu einer Regierungschefin Kramp-Karrenbauer führen,
sondern eher zu vorzeitigen Neuwahlen. Oder vielleicht doch zu
erneuten Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis. FDP-Chef Christian
Lindner, der vor allem wegen der Person Merkel im November 2017 die
Gespräche mit Union und Grünen platzen ließ, rührt bereits heftig die
Werbetrommel für einen Jamaika-Neuversuch. Die Crux an einem solchen
Szenarium ist freilich, dass sich Geschichte nicht so einfach
wiederholt. Die Grünen etwa können heute vor Kraft kaum laufen.
Themen wie der Klimaschutz, der Kampf gegen das Artensterben oder
gesündere Ernährung haben ihnen gehörigen Zulauf und Wählerzustimmung
beschert. Habeck, Baerbock, Hofreiter und Co. würden heute
wahrscheinlich eher auf vorgezogene Neuwahlen setzen, denn auf einen
neuen Jamaika-Aufguss. Hinzu kommt, dass sich SPD und Grüne, beide
auf pragmatischem Linksschwenk, wieder leicht annähern.
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