Allg. Zeitung Mainz: Angezählt / Friedrich Roeingh zur Kommunalwahl in der Türkei
Geschrieben am 01-04-2019 |
Mainz (ots) - Nach diesem Kommunalwahlergebnis werden mindestens
in Istanbul und in Ankara Köpfe rollen. Anders kann man die
Ankündigung Recep Tayyip Erdogans nicht verstehen, Schwachstellen
seiner Partei "identifizieren und korrigieren" zu wollen. Die
Reaktion des allmächtigen türkischen Präsidenten zeigt, wie
empfindlich die Wahlschlappe ihn und die gesamte AKP getroffen hat.
Auch wenn man die Justiz und die Medien gleichgeschaltet hat, auch
wenn man politische Gegner - wie eine ganze Reihe kurdischer
Bürgermeister - aus dem Weg geräumt hat, kann die AKP (in den
Großstädten) Wahlen verlieren. Mit der Tatsache, dass es den
Kemalisten gelungen ist, Ankara und wohl auch Istanbul
zurückzuerobern, werden allerdings nicht wieder Demokratie und
Rechtsstaat in der Türkei einziehen. Es ist eher damit zu rechnen,
dass Erdogan die Daumenschrauben der Repression an einigen Stellen
noch enger anziehen wird, um zugleich etwas für die dringende
Gesundung der türkischen Wirtschaft zu tun. Der Lichtblick dabei:
Nachdem sein Instrument der maßlosen staatlichen Investitionen kaum
Wirkung gezeigt hat, wird er zumindest um ökonomische Reformen nicht
herumkommen. Wer aber darauf setzte, dass die kemalistische CHP und
die prokurdische HDP der AKP den Rang ablaufen könnten, der hat die
tiefe Spaltung der Türkei zwischen städtischen und ländlichen
Regionen nicht verstanden. Wesentlich bedrohlicher ist für Erdogan
einProzess, der sich aus der Kommunalwahl nicht direkt ableiten
lässt: die denkbare Abspaltung einer islamistischen Gruppierung von
der AKP. Auch das keine Prognose, die zu Optimismus Anlass gäbe.
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