Mittelbayerische Zeitung: Selbstbestimmt bis in den Tod / Schwerstkranke fühlen sich durch Strafrechts-Paragraf 217 in ihrer Würde verletzt. Karlsruhe sollte den Paragrafen anpassen. Von Jana Wolf
Geschrieben am 16-04-2019 |
Regensburg (ots) - Wie geht man mit Schwerstkranken um, die ihr
Leiden nicht mehr ertragen können? Wie mit Menschen, die das Leben
durch die Last ihrer Krankheit als entwürdigend empfinden und die
sich nichts mehr wünschen, als dass es endet? Diese Fragen sind nicht
nur ethisch sensibel, sie sind auch juristisch heikel. Patienten,
Ärzte und Sterbehilfe-Vereine sind vor das Bundesverfassungsgericht
gezogen, weil sie zu Recht Klarheit in diesen Fragen fordern. Zwei
Tage, gestern und heute, wird nun verhandelt. Das ist mit Karlsruher
Maßstäben ungewöhnlich lange und zeigt die Tragweite der
Entscheidung. Es ist zu hoffen, dass sie am Ende zugunsten der
klagenden Patienten und Palliativmediziner ausfällt. Dabei geht es,
das sei hier betont, nicht um die aktive Sterbehilfe. Wer einen
Menschen auf dessen Wunsch tötet, macht sich in Deutschland strafbar.
Verhandelt wird über bestimmte Bedingungen zur Beihilfe zum Suizid.
Im Kern geht es um eine Formulierung in dem umstrittenen
Strafrechts-Paragrafen 217. Dieser stellt die "geschäftsmäßige
Förderung der Selbsttötung" unter Strafe. Das kleine Wort
"geschäftsmäßig" kann für Beschäftigte in der Palliativversorgung
große Folgen haben. Es besagt, dass die Sterbehilfe nicht nur einmal,
sondern wiederholt erfolgt. Berufsbedingt haben die Kläger aber
häufig mit Schwerstkranken und Sterbenden zu tun und begleiten sie an
ihrem Lebensende. Es darf nicht sein, dass Ärzte eine strafrechtliche
Verfolgung fürchten müssen, nur weil sie ihrer Arbeit nachgehen.
Ursprünglich wurde das Gesetz verabschiedet, um dubiosen
Sterbehilfe-Vereinen das Handwerk zu legen. Paragraf 217 sollte das
kommerzielle Geschäft mit dem Tod stoppen. Das ist ein guter Ansatz.
Die negative Folge ist jedoch, dass auch verantwortungsvolle Ärzte
sich von Strafe bedroht sehen. Bis zu drei Jahren Haft sieht das
Gesetz vor - das ist vielen Medizinern zu heikel. Die Konsequenz: Sie
ziehen sich lieber aus der Begleitung der Patienten zurück. Es ist
ein trauriger Gedanke, dass Menschen beim Sterben alleine gelassen
werden, nur weil das Gesetz ihren Ärzten die Hände bindet. Eine der
13 Beschwerdeführer in Karlsruhe ist die Neumarkter Palliativärztin
Susanne Vogel. Sie kennt diese Sorgen aus eigener Erfahrung. Wie gut
ein Patient versorgt wird, hängt seit der Einführung von Paragraf 217
davon ab, wie mutig der Arzt ist, sagt Vogel. Noch einmal: Ärzte
begleiten schwerstkranke Menschen auf ihrem Weg in den
unausweichlichen Tod. Und sie müssen zusätzlich Mut gegenüber dem
Gesetzgeber aufbringen. Nein, das sollte nicht sein. Das Gesetz
sollte einen schützenden Rahmen für diese schwere Phase bieten - kein
Hemmnis. Wichtiger noch als die Sorgen der Ärzte ist die Perspektive
der Patienten selbst. Unter den Klägern sind schwer kranke Menschen,
die passive Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen. Sie sehen durch
Paragraf 217 ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben eingeschränkt.
Für sie gehört dazu auch ein selbstbestimmter Tod. Es mag für
Außenstehende, für Gesunde, für Angehörige schwer zu akzeptieren
sein, dass ein Mensch nicht mehr weiterleben möchte und sich
Begleitung auf seinem letzten Weg wünscht. Ein Grund, ihnen diesen
Wunsch grundsätzlich zu verwehren, darf das aber nicht sein.
Vertrauensvolle Gespräche über den Wunsch zu sterben können neue
Alternativen aufzeigen. Die Deutsche Gesellschaft für
Palliativmedizin erklärt dazu, dass sich für Kranke neue Wege auftun
können. Mit der Karlsruher Verhandlung soll nicht die Tür für aktive
Sterbehilfe geöffnet werden. Sie kann aber erreichen, dass Ärzte
vertrauensvoll und uneingeschränkt ihre Arbeit tun und Schwerkranke
selbstbestimmte Entscheidungen treffen können. Beides ist zu
wünschen.
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