Grundsatzurteil des VGH Baden-Württemberg zu Dieselfahrbeschränkungen in Reutlingen: Änderung des BImSchG klarer Verstoß gegen Europarecht - Grenzwerte sind einzuhalten
Geschrieben am 17-04-2019 |
Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe klagte gegen das Land
Baden-Württemberg auf schnellstmögliche Einhaltung des
Stickstoffdioxid-Grenzwerts von 40 Mikrogramm/m3 -
Verwaltungsgerichtshof in Mannheim wendet erstmals die drei Tage vor
der Verhandlung im März 2019 beschlossene Änderung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes an und stellt klar, dass auch
unterhalb von 50 Mikrogramm/m3 Diesel-Einfahrbeschränkungen kommen
müssen, wenn Stadt und Land durch andere Maßnahmen die Einhaltung des
EU-Grenzwerts von 40 Mikrogramm/m3 nicht sicherstellen können - Land
Baden-Württemberg muss Zufahrtsbeschränkungen für ältere Diesel-Pkw
noch in 2019 umsetzen
Im Klageverfahren zwischen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem
Land Baden-Württemberg für die saubere Luft in Reutlingen liegt die
schriftliche Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vor (10 S 1977/18). Darin stellt das Gericht klar,
dass der Grenzwert für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid (NO2)
nicht erst in 2020, sondern schnellstmöglich einzuhalten ist. Dafür
erachtet das Gericht die Umsetzung von Fahrverboten für Diesel-Pkw
unterhalb der Euro-Norm 5 noch in 2019 für zwingend erforderlich.
Zudem bestätigt der VGH, dass die Änderung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) keine Auswirkungen auf die
Frage der Einhaltung des EU-weit verbindlichen Grenzwerts von 40
Mikrogramm NO2/m3 hat. Ferner betont der VGH, dass der NO2-Grenzwert
aus Gesundheitsschutzgründen einzuhalten ist. Diskussionen über die
Gesundheitsrelevanz ändern an der rechtlichen Verpflichtung zur
schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung nichts.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Die
Urteilsbegründung ist eine Ohrfeige für die Bundesregierung, die mit
der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im März den Eindruck
erwecken wollte, dass damit Einfahrbeschränkungen für schmutzige
Diesel-Fahrzeuge nicht mehr notwendig seien. Erneut hat ein
Obergericht den für den Gesundheitsschutz verantwortlichen
Regierungspolitikern auferlegt, sofort für die "Saubere Luft" in
unseren Städten zu sorgen. Die nun auch in Reutlingen angeordneten
Diesel-Fahrverbote werden nur aufgrund des jahrelangen Betrugs des
Dieselkartells der Automobilhersteller und eines politischen
Versagens in der Luftreinhaltepolitik nötig. Unter den giftigen
Dieselabgasen leidende Kinder, Asthmatiker, ältere Menschen und
Lungenvorgeschädigte profitieren von dem klaren Urteil und können
hoffentlich bald in Reutlingen eine "Saubere Luft" einatmen. Wir
brauchen auch und gerade im grün-schwarz regierten Ländle eine
wirkliche Verkehrswende und als ersten Schritt eine komplette
Hardware-Nachrüstung aller Betrugs-Pkw, die in Reutlingen einfahren.
So kann auch die Mobilität der betroffenen Autofahrer bewahrt
werden."
In Bezug auf die Änderungen es BImSchG schreibt der VGH in seinem
Urteil: "Der nationale Normgeber (...) muss den unionsrechtlichen
Rahmen beachten und darf deshalb nicht unter Berufung auf den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unionsrechtlich geltende, dem
Gesundheitsschutz verpflichtete Grenzwerte de facto aufweichen oder
aushöhlen." Weiter bestätigt der VGH die Rechtsauffassung der DUH und
verdeutlicht, dass für die vollumfängliche Einhaltung der
europäischen Bestimmungen zu sorgen ist und daher "jede
entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener
Entscheidungsbefugnis unangewendet" bleiben muss. Die Änderung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist ein "klarer Verstoß" gegen das
Unionsrecht (Urteilsbegründung, S. 31 und 32).
Zudem verdeutlicht der VGH Mannheim, dass die Grenzwerte zum
Schutze der Gesundheit einzuhalten seien: "Darüber hinausgehende
individualisierende Fragen, wie viele Personen bei welcher
Grenzwertüberschreitung konkret welchen erhöhten Krankheitsrisiken
ausgesetzt sein könnten, kommt in diesem Zusammenhang ebenso wenig
rechtliche Bedeutung zu wie der Frage, wie sich im konkreten
Einzelfall die Situation vom Fahrverbot Betroffener darstellt."
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt,
sagt: "Das Urteil hat Grundsatzcharakter. Dies betrifft insbesondere
die durch den Bundestag verabschiedete Änderung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Eine Bundesregierung, die den
Eindruck hervorruft, dadurch ändere sich etwas an der Rechtslage,
führt die Menschen bewusst in die Irre."
Link:
Schriftliche Urteilsbegründung http://l.duh.de/p190417
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
030 8847280, 0171 2435458, klinger@geulen.com
Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung DUH
030 2400867-72, saar@duh.de
DUH-Pressestelle:
Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann
030 2400867-20, presse@duh.de
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Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell
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