Börsen-Zeitung: Weniger Aktien im Körbchen,
Kommentar zum IPO-Markt von Dietegen Müller
Geschrieben am 18-04-2019 |
Frankfurt (ots) - Es geht aufwärts mit den Kursen an den
Aktienbörsen, seit die Konjunkturdaten aus China wieder besser
aussehen und sich nun auch in Europa eine Stabilisierung abzeichnet.
Der Osterhase wird dieses Jahr aber weniger neue Aktien ins Körbchen
kaufwilliger Anleger legen.
Damit ist nicht die Verringerung der Aktienquote nach der
kräftigen Rally gemeint, die für manche Analysten nun angezeigt ist.
Nein, es geht auch um die Zahl an gelisteten Aktien beziehungsweise
Unternehmen an und für sich. Diese Zahl ist seit Jahren rückläufig.
Da vermögen auch Milliarden-Börsengänge von Pinterest, Lyft & Co.
nicht viel dagegen auszurichten. Seit Jahresanfang beträgt das
Volumen neu platzierter Aktien - inklusive Bezugsrechten - aus
anstehenden oder schon durchgeführten Emissionen bis dato 37,8 Mrd.
Dollar weltweit. Dies liegt gut ein Drittel unter dem vergleichbaren
Stand des Jahres 2018.
Laut dem Datendienst Bloomberg sind derzeit immerhin
Aktienemissionen im Volumen von 147 Mrd. Dollar angekündigt. Die
größten Hoffnungswerte liegen im Finanzsektor (58 Mrd. Dollar
angekündigt), bei nicht-zyklischen Verbrauchsgüter- (30 Mrd. Dollar)
und Technologieunternehmen (knapp 12 Mrd. Dollar). So erfreulich dies
aus Sicht der Berater und Banken ist, die Zahlen deuten darauf hin,
dass der IPO-Jahrgang 2019 kaum das im Vorjahr erzielte Volumen von
mehr als 200 Mrd. Dollar erreichen wird, wenn es nicht zu einer
deutlichen Belebung in der zweiten Jahreshälfte kommt.
Der scharfe Einbruch des IPO-Volumens in diesem Jahr liegt an
einer Reihe von Faktoren. Zunächst wäre da die gestiegene
Unsicherheit über die Konjunkturentwicklung, auch wegen des bisher
ungelösten Handelskonflikts zwischen den USA und China und den
USA und Europa. Stark dämpfend wirkt außerdem der Brexit, der den
wichtigen europäischen IPO-Markt in London praktisch lähmt. Die
Verzögerung des Austrittsdatums wird das Volumen weiter drücken.
Auch die Zahl der Listings ist eingebrochen. Dies passt in einen
Trend, der Aktieninvestoren zu denken geben muss. Die Zahl
börsengelisteter Unternehmen in den USA und Europa nimmt fast
kontinuierlich ab. Laut einer 2017 erstellten Studie der Großbank
Credit Suisse ("The Incredible Shrinking Universe of Stocks") ist die
Zahl der gelisteten US-Unternehmen von 1996 bis 2016 netto - unter
Einbezug von Erstlistings und Delistings - von 7322 auf 3671
Unternehmen gesunken. In den 20 Jahren davor waren noch mehr als 2500
Firmen an die Börse gekommen - eine Hochphase für Börsengänge.
Gemäß der World Federation of Exchanges stagnierte 2017 die Zahl
gelisteter heimischer Unternehmen weltweit bei 44000, ein Niveau, das
schon 2006 erreicht worden ist. Zugenommen hat die Zahl gelisteter
Unternehmen gegen den Trend in Asien. Ein Rückgang zeigt sich aber
nicht nur in den USA. In Europa fiel die Zahl gelisteter Unternehmen
von knapp 9600 im Jahr 2016 auf knapp 9100. Im Jahr 2007 waren es
noch rund 14000 gelistete Unternehmen gewesen.
Gründe dafür liegen hauptsächlich in der Übernahme gelisteter
Unternehmen durch andere Unternehmen. Auch regulatorische Gründe
werden angeführt. Doch eine zunehmende Rolle spielt auch, dass
private Finanzierungsformen in der Kapitalaufnahme eine größere
Anziehungskraft entwickelt haben. Das CFA Institute hat in einer
Untersuchung festgestellt, dass kleinere Unternehmen die Finanzierung
über Private Debt vorziehen. Gerade dieses Marktsegment wächst im
Niedrigzinsumfeld besonders stark, nicht zuletzt durch alternative
digitale Finanzierungsmodelle wie Initial Coin Offerings (ICOs) oder
dergleichen.
Ein Grund für die stärkere Finanzierung über Private Debt bei
kleinen Unternehmen liege darin, dass diese stärker auf immaterielle
Vermögenswerte (wie Lizenzen oder Patente) in ihren Geschäftsmodellen
setzen und Nachahmer fürchten. Damit seien aber wachstumsträchtige
Segmente im öffentlichen Markt unterrepräsentiert, die Aktienmärkte
könnten ihre Rolle als Benchmark für Risikoprämien verlieren, so das
CFA Institute. Es gebe keine klare regulatorische Lösung dafür. Die
Lockerung von Transparenzpflichten - wie es die EU für gewisse IPOs
ermöglicht - würde nur den Anlegerschutz und die Attraktivität
gelisteter Firmen verringern. Besser sei es, für mehr Transparenz im
Private-Debt-Markt zu sorgen, breiteren Anlegerkreisen den Zugang zu
ermöglichen und eine möglichen Blasenbildung im Auge zu behalten.
Pressekontakt:
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Redaktion
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