Mittelbayerische Zeitung: Trumps Flüchtlingskrise
Der US-Präsident hat mehr Asylbewerber aufgenommen, als die von ihm gescholtene Bundeskanzlerin. Von Thomas Spang
Geschrieben am 23-04-2019 |
Regensburg (ots) - Der US-Präsident ließ in der Vergangenheit
keine Gelegenheit aus, Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Aufnahme
der syrischen Flüchtlinge im Sommer 2015 zu kritisieren. Nun hat
Trump seine eigene Flüchtlingskrise, die aus drei Ländern gespeist
wird: Guatemala, El Salvador und Honduras. Wenn die Prognosen von
Experten stimmen, wird binnen Jahresfrist fast ein Prozent der
Gesamtbevölkerung dort vor der Gang- und Drogengewalt geflohen sein.
Die Ironie an der traurigen Entwicklung besteht darin, dass zu keinem
Zeitpunkt seit 2007 mehr Menschen Schutz in den USA suchten, als
unter dem Präsidenten, der Mauerbau, Muslim-Bann und Migranten-Hetze
zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Trump hat mehr Asylbewerber
aufgenommen, als die von ihm gescholtene Merkel. Mit dem Unterschied,
dass die Kanzlerin aus Überzeugung heraus eine mutige Entscheidung
getroffen hatte, die alles andere als populär war. Trump wirkt
hilflos. Weil er die Gesetze nicht mit einem Federstrich ändern kann,
und die Gerichte ihn ein ums andere Mal gestoppt haben, muss der
Rechtspopulist mit ansehen, wie jeden Monat im Schnitt 100 000
Menschen aus Zentralamerika kommen. Statt die Fluchtursachen
anzugehen, erhöht Trump den Druck auf die Menschen, ihre Heimat zu
verlassen. Er streicht Hilfsgelder. Gleichzeitig schickt er mit
großer Geste brutale Gangmitglieder zurück in ihre Heimatländer. Dort
üben sie das Handwerk aus, das sie in den Straßen LA's, Houstons oder
Chicagos gelernt haben. Das erklärt, warum Mütter ihre Söhne und
Väter ihre Töchter auf den gefährlichen Treck gen Norden nehmen.
Trump heizt die Krise zusätzlich mit seiner Mauer-Obsession an.
Schlepper nutzen das dafür, die Werbetrommel zu rühren, in die USA zu
fliehen, so lange es noch geht. Dabei ändert eine Mauer absolut
nichts an der aktuellen Situation. Wer die Lage an der Grenze in
Augenschein genommen hat, weiß, dass nicht junge Desperados in den
Büschen darauf lauern, den Rio Grande unerkannt zu überqueren. Die
Flüchtlinge suchen geradewegs nach einem US-Grenzer, um einen Antrag
auf Asyl stellen zu können. Anders als Trump behauptet, handelt es
sich nicht um Illegale, Drogenkuriere oder Vergewaltiger, sondern um
Familien, die ganz legal Schutz vor Gewalt suchen. An diesen Menschen
versucht der "Amerika-Zuerst"-Nationalist in seiner blinden Wut, ein
Exempel zu statuieren. Er ruft einen Notstand aus, wo keiner ist,
schickt die Streitkräfte, die in friedlichen Grenzstädten
Stacheldraht ausrollen, und kriminalisiert Schutzsuchende. Als ein
Bundesgericht seine Entscheidung kassierte, die Flüchtlinge bis zum
Abschluss ihres Asylverfahrens in das Drittland Mexiko abzuschieben,
drohte Trump damit, die Grenzübergänge zu schließen. Eine Maßnahme,
die nicht nur das Leben in der dynamischen Grenzregion unterbräche,
sondern eine Rezession riskierte. Mexiko ist der wichtigste
Handelspartner der USA. Trumps Schikanen sind hässlich: Angefangen
von der gerichtlich gestoppten Zwangstrennung von Kindern von ihren
Eltern, über die Internierungslager für allein reisende Jugendliche,
die Bürgerrechtler als "Mischung aus Disneyland und KZs" bezeichnet
haben, bis hin zu dem tagelangen Einpferchen von Familien unter einer
Grenzbrücke in El Paso hinter Maschendraht und Stachelzaun. Nicht zu
vergessen die illegale Abweisung von Menschen an Grenzstationen, die
eigentlich verpflichtet wären, Asylanträge aufzunehmen. Die Situation
in den Herkunftsländern ist jedoch so verzweifelt, dass keine noch so
große Niederträchtigkeit die Flüchtlinge zurückhält. Vielleicht wird
das beschämende Grenztheater nur für Trumps Basis inszeniert, deren
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sie am rationalen Nachdenken
hindert. Sonst hätten sie längst verstanden, dass diese Politik
nichts bewirkt.
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Mittelbayerische Zeitung
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