Börsen-Zeitung: Sicherheit gefragt / Kommentar zur Zinsentwicklung von Kai Johannsen
Geschrieben am 26-04-2019 |
Frankfurt (ots) - Konjunktursorgen treiben die Anleger in die
sicheren Häfen, und damit bleiben die Bundesanleihen weiterhin gut
unterstützt, auch wenn derzeit nicht von einem extremen Run auf
Bundestitel gesprochen werden kann. Zu den Auslösern der globalen
Konjunktursorgen zählten in den vergangenen Handelstagen verschiedene
Faktoren, darunter war auch der Ifo-Geschäftsklimaindex. Denn es gab
einen doch überraschenden Rückschlag für die deutsche Wirtschaft, die
Stimmung hat sich merklich eingetrübt. Das Barometer für das
Geschäftsklima fiel im April um 0,5 auf 99,2 Punkte. Von der
Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten hingegen mit
einem leichten Anstieg des Barometers auf 99,9 Zähler gerechnet. In
den Chefetagen der Unternehmen wurde die Geschäftslage schlechter
beurteilt und ebenso die Aussichten für die kommenden sechs Monate.
Derartige Makrodaten treiben die Anleger in die sicheren
Bundesanleihen mit dem Ergebnis, dass die Renditen weiter sinken. In
der abgelaufenen Woche waren die Renditen der Bundesanleihen bis hin
zu zehn Jahren Restlaufzeit im Minus, auch wenn die zehnjährige
Bundrendite nur mit wenigen Basispunkten im negativen Terrain war und
zeitweise sogar mal leicht positive laufende Erträge abwarf.
Aber die Anleger richten den Blick nicht nur auf Deutschland oder
Europa. Konjunkturängste resultieren auch aus den Entwicklungen in
anderen Regionen. So war die südkoreanische Wirtschaft im ersten
Quartal unerwartet schwach ausgefallen. Hinzu kam, dass die Bank von
Japan an ihren extrem niedrigen Leitzinsen bis Anfang 2020
festhalten will. Auch das zeigt, wie die Lage dort eingeschätzt
wird. Und die Anleger richteten den Blick auch nach Kanada. Dort
hielt die kanadische Zentralbank die Leitzinsen stabil, nahm aber
eine Änderung beim Wording vor. Dass es als erforderlich erachtet
wird, die Zinsen in der Zukunft zu erhöhen, wurde aus dem Wording
herausgenommen. Nicht nur aus der Eurozone und speziell aus
Deutschland kommen negative Signale hinsichtlich der
Konjunkturentwicklung, sondern auch aus anderen großen
außereuropäischen Volkswirtschaften. Das hält den Druck auf die
Renditen der Bundesanleihen hoch.
Doch damit setzt sich auch die Jagd nach Rendite fort. Papiere,
die im Umfeld von Null- oder Negativzinsen noch einen positiven
Ertrag abwerfen, kommen infolgedessen bei den Bondanlegern nach wie
vor gut an. Abzulesen ist das weiterhin am Primärmarktgeschäft. Hohe
Überzeichnungen der Neuemissionen sind keine Seltenheit, sondern
gehören fast schon zum Tagesgeschäft.
Ein Beispiel dafür ist in den vergangenen Tagen die französische
Beteiligungsgesellschaft Wendel gewesen. Für ein Bondvolumen von
angekündigten maximal 300 Mill. Euro bekamen die Konsorten das
8-fache Ordervolumen zusammen. Ein weiteres Beispiel ist Zypern. Der
ehemalige Krisenstaat war im Jahr 2014 an die internationalen
Kapitalmärkte zurückgekehrt und tauchte nun in der abgelaufenen Woche
auf dem Bondparkett gleich mit zwei Tranchen auf. Für eine
fünfjährige sowie eine 30-jährige Anleihe zusammen bekam Zypern
Orders in der Größenordnung von mehr als 10,8 Mrd. Euro zusammen. Das
Gedächtnis mancher Investoren ist offenkundig doch recht kurz, wenn
bei ehemaligen Krisenstaaten schon wieder so beherzt zugegriffen
wird.
Diese Tendenz wird sich aller Voraussicht nach in den kommenden
Tagen und Wochen weiter fortsetzen. Mit weiteren negativen Signalen
von der Konjunkturentwicklung dies- und jenseits des Atlantiks werden
die Wachstumssorgen befeuert. Dann setzen Anleger auf Sicherheit.
Aber nicht nur die Wachstumssorgen lassen die Anleger die
sicheren Häfen ansteuern. Es stehen die Europawahlen auf dem
Programm. Populismus - das hat die Vergangenheit eindrucksvoll in
Frankreich mit Marine Le Pen gezeigt - ist durchaus ein Faktor, der
die Gemüter ebenfalls nachhaltig beeinflusst und viele Anleger dann
ebenfalls zu sicheren Papieren greifen lässt. Auch von dieser Seite
könnte also gut Druck auf die Renditen der Bundesanleihen kommen.
Perspektivisch ist der Raum für noch tiefere Renditen im Minusbereich
durchaus gegeben. Die zehnjährige Bundrendite kann also ihre
Rekordmarke vom Juli 2016 sehr gut testen. Seinerzeit ging es unter
dem Eindruck der Unsicherheit des Brexit-Vote bis auf rund -0,20%
nach unten.
(Börsen-Zeitung, 27.04.2019)
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