Mittelbayerische Zeitung: Der Sprengmeister Europas / Viktor Orbán bricht mit Manfred Weber und sucht den Schulterschluss mit Donald Trump. Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Leitartikel von Ulrich Krökel
Geschrieben am 08-05-2019 |
Regensburg (ots) - Wenn von Charisma die Rede ist, fallen meist
die ganz großen Namen: Nelson Mandela zum Beispiel, Mahatma Gandhi
und Mutter Teresa oder John F. Kennedy. Allesamt waren sie Helden der
Freiheit und der Gerechtigkeit. Was aber ist mit Viktor Orbán? Wenige
Wochen vor der Europawahl scheint der Ministerpräsident des kleinen,
wirtschaftlich und weltpolitisch eher unbedeutenden Ungarn zur
kontinentalen Lichtgestalt einer rechtsnationalen Bewegung mit
autoritären Zügen aufzusteigen. Von Orbán selbst stammt der Begriff
der "illiberalen Demokratie", die er für das Herrschaftsmodell der
Zukunft hält. Kann ein solcher Mann charismatisch sein? Orbáns
Strahlkraft jedenfalls ist nicht zu übersehen. Zu beobachten war sie
zuletzt beim Besuch des österreichischen Vizekanzlers und FPÖ-Chefs
Heinz-Christian Strache in Budapest, eines weiteren Wortführers der
europäischen Rechten. Strache wirkte nicht nur blass neben Orbán. Er
geriet sogar vollends aus dem Fokus, als sein Gastgeber die
Pressekonferenz nutzte, um dem deutschen Spitzenkandidaten für das
Amt des EU-Kommissionschefs, dem CSU-Politiker Manfred Weber, seine
Unterstützung zu entziehen. Die Abgeordneten seiner Fidesz-Partei
würden Weber nicht wählen, kündigte Orbán an und besiegelte damit den
Bruch in der konservativen EVP. Das war eine kleine Sensation.
Zugleich war es aber auch eine skurril anmutende Machtdemonstration.
Schließlich hatte die Europäische Volkspartei ihrerseits den Fidesz
im März suspendiert, weil die Ungarn eine Anti-EU-Kampagne gestartet
hatten. Nun jedoch drehte Orbán den Spieß um und ließ wissen, dass
Weber seine Gunst verspielt habe. Dabei gehören gerade einmal elf von
216 EVP-Abgeordneten dem Fidesz an. Doch mit messbarer Macht lässt
sich Orbáns Höhenflug ohnehin kaum erklären. So lag Ungarn beim
Bruttoinlandsprodukt zuletzt zwischen Kasachstan und Angola auf Platz
58 in der globalen Rangliste. Das Land verfügt auch über kein
nennenswertes militärisches Potenzial. Man könnte Orbán und seinen
Fidesz also mit guten Gründen für so etwas wie europäische
Scheinriesen halten. Dennoch interessiert sich seit Neuestem sogar
US-Präsident Donald Trump für Ungarn. Der mächtigste Politiker der
Welt lud Orbán für die kommende Woche ins Weiße Haus ein. Man kann
das kaum anders werten als einen Akt der Wahlkampfhilfe für einen
Mann, der sich nach eigenem Bekunden in "spirituellem Einklang" mit
Trump wähnt. So formulierte es Orbán in einem Interview, und weiter:
"Trumps offenes ins Zentrum Stellen der nationalen Interessen ist
etwas, das ich voll und ganz teile." Doch worauf könnte sich eine
Ungarn-zuerst-Strategie stützen? Bei einem Blick auf die harten
Machtfaktoren wird man im Land nicht fündig, und so bleibt als
politische Größe von Gewicht am Ende nur die Person Orbán selbst
übrig, der spätestens seit seiner kompromisslosen Reaktion auf die
Migrationskrise von 2015 zu einer Art Heilsbringer der europäischen
Rechten aufgestiegen ist. In einschlägigen Internetforen wird der
ungarische Ministerpräsident seither als jener Retter des
christlichen Abendlandes gefeiert, als der er sich selbst gern
stilisiert. Und damit stellt sich tatsächlich die Frage nach Orbáns
Charisma. Kaum zu bestreiten ist, dass der ungarische Regierungschef
mit seinen 55 Jahren über einen enormen Erfahrungsschatz und zugleich
über unbändige Energie verfügt. Vor allem Letzteres jedoch lässt sich
auch zum Schaden aller missbrauchen. Es ist kein Zufall, dass Orbáns
Kritiker den ungarischen Ministerpräsidenten gelegentlich als
"Sprengmeister Europas" bezeichnen. Das Zeug dazu hat er.
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